In der Zeitschrift Amperland erschien dieser Artikel
Eva von Seckendorff: Der archäologische Forschungsbericht des Rittmeisters Sixt über das römische “Ambrae” aus dem Jahre 1891; Amperland, 1995, Band 31; Seiten 158-165
Die Autorin wertet darin das Vortragsmanuskript von 1891 aus, das ein Fr(iedrich?) Sixt, königlicher Rittmeister, vor den Mitgliedern des Historischen Vereins Oberbayerns gehalten hat. [Das könnte der 1860 geborene Vater des späteren Generalleutnants Friedrich Sixt gewesen sein, von dem im Bayer. Hauptstaatsarchiv noch die Personalakte liegt.]
Der Vortrag fand also 20 Jahre nach der Exkursion von Franz Seraph Hartmann statt.
Römische Nord-Süd-Verbindung durch Schöngeising?
Sixt ging offenbar recht selbstverständlich davon aus, daß es eine Römerstraße von Schöngeising über Mauern nach Pähl gab. [Davon ist öfter die Rede. Doch Beweise fehlen. Der Ortsname “Mauern” riecht schon verdächtig nach römischen Mauern, auf die die Germanen womöglich gestoßen sind. Natürlich wäre eine keltische Vorgängerstraße zur großen latènezeitlichen Siedlung von Steinebach vorstellbar. Aber im Relief und in den Flurgrenzen zeichnet sich heutzutage nichts ab. Römische Bodendenkmäler sind auf der Route nicht vermerkt.]
Verlauf der Römerstraße
F. Sixt spekulierte über den Verlauf der Römerstraße durch Schöngeising und über die Amper – und wurde von neueren Forschungen widerlegt.
[Spannend ist hier allein, daß Frau Seckendorff einen Ausschnitt aus einer “Steuerkarte S. W.1.11 von 1862” des Landesvermessungsamtes abdruckte. Diese Karte ist detaillierter und enthält deutlich mehr Flurnamen, als die Karten im Bayernatlas. Wir sollten an diese Karten kommen!]
Keltenschanzen zur Straßenverteidigung
Der Rittmeister Sixt betrachtete die Lage der vier Keltenschanzen östlich von Schöngeising aus Sicht eines Militärs und hält sie für sehr gut geeignet, die Römerstraße an Holzhausen vorbei zu kontrollieren. Daß er die Schanzen für römisch hält, tut der Einschätzung keinen Abbruch: Auch die keltische Vorgängerstraße mußte ja überwacht werden.
F. Sixt hatte das Glück, daß die Schanzen noch nicht eingeebnet waren. Er konnte sie noch recht gut erhalten erleben mit teilweise wassergefüllten Gräben. Leider können wir seinen detaillierten Skizzen nicht ganz trauen, da er zumindest bei einer Schanze den Eingang falsch eingezeichnet hat (womöglich, weil der ihm militärisch sinnvoller erschien).
Funde beim Bau des Elektrizitätswerkes von Schöngeising
1891/1892 wurde die bankrotte Mühle von Schöngeising durch Oskar von Miller umgebaut zu einem Elektrizitätswerk für Fürstenfeldbruck.
Im Oktober/November 1891 inspizierte F. Sixt die Fundstücke aus den Baugruben (die außer ihm offenbar niemanden interessierten). Frau Seckendorff zitiert F. Sixt aus dem Vortragsmanuskript:
Der neue Mühlbachkanal nimmt . . . seinen Lauf von der neuen Brücke
in nahezu östlicher Richtung quer durch Anger und Wiese des Oberwirtes nach dem Südwestrand des Wiesenkomplexes Weilinger, westlich der Insel Thurm.
Ein Pfahlrüstwerk
Ersterwähnter Anger gehörte zum ehemaligen Revierförsterhaus…
Die Strecke der Kanalausschachtung von Brücke B bis halbwegs der Einmündung des Kanales in die Amper bezeichnet nun im Allgemeinen die Stätte des Schöngeisinger Fundes. Ungefähr 100 Meter unterhalb der Brücke stieß man auf ein Pfahlrüstwerk, das den neuen Kanal in schräger Richtung durchsetzte.
Das Rüstwerk bestand aus sieben Pfahlbündeln mit einem 160 cm hohen und 25-30 cm starken Erlenholzpfahl in der Mitte und fünf bis sechs bis zu 20 cm starken Rundhölzern. Die Bündel reichten bis in eine Tiefe von 220 bis 230 cm und waren im Abstand von 130 bis 150 cm aufgereiht.
Eines der Bündel hatte ausnahmsweise behauene Kanthölzer. Ein Eichenpfahl wurde dort ebenfalls gefunden.
Ein Mittelpfahl und ein Stück Pflockholz wurden der Vereinssammlung exemplarisch einverleibt. [Heute verschollen.]
Eine Palisadenreihe
In der Nähe des “Neuen Mühlbachkanals” grub man außerdem noch einen Eisweiher [in der Nähe der Wirtschaft Oberwirt? Die Lage wird nicht genauer angegeben].
»Zunächst genannten Pfahlwerkes« fand man beim Ausheben eines sogenannten Eisweihers in einer Tiefe von 150 cm zwei sechs Meter lange parallellaufende Palisadenreihen, »welche sich im Boden in nördlicher Richtung fortsetzten. Die kleinen und schwachen Pfähle standen dichtgedrängt; die beiden Pfahlreihen hatten 70 cm Lichtweite.«
In 180 cm Tiefe fand man beim Neuen Mühlbachkanal und beim Eisweier Objekte, die damals als römisch interpretiert wurden. Darüber mittelalterliche Scherben, Knochen etc.
Interpretation von Rittmeister Sixt
Sixt hält die Pfahlbündel als Teil einer Brücke für eine Straße von Mauern an der Sunderburg vorbei zu diesem Amperübergang. [F. S. Hartmann postulierte 20 Jahre vorher auch eine weitere Brücke über die Amper. Er schreibt “an dieser Überfahrtstelle soll in Urzeiten eine Brücke über die Amper geführt haben, und wirklich bemerkt man im Wiesengrunde noch das Segment einer alten Strasse, welches in den Fahrweg, der zur Sunderburg führt, mündet.” Wir wissen nicht, wo er 1871 übergesetzt ist. Doch wäre es überraschend, wenn die Exkursionsgruppe 100 Meter neben der bestehenden Brücke eine Bootsüberquerung organisiert hätte. So hat Hartmann die ehemalige Brücke wohl deutlich weiter amperaufwärts vermutet.]
Tatsächlich können die Pfähle auch Teil einer römischen oder mittelalterlichen Kaibefestigung sein (Floßlende).
Bei der Palisadenreihe vom Eisweiher meint Sixt, daß sie ein Teil der Befestigung eines Kanals sein kann, der Wasser zu einem Heilbad führt. Angeblich konnte man 1891 noch Reste eines Kanals vom damaligen Schulhaus (heute Amperstraße 11) zur Amper sehen. Das wäre nach Sixt der Ablauf.
Tatsächlich kann man heute eine kleine, halbwegs kanalartige Absenkung im Gelände (meist nur 10 cm) feststellen. Die Absenkung verläuft allerdings (heute) bogenförmig. Das “Heilbad Schöngeising” soll in den Memoiren des Klosters St. Severin zu Passau erwähnt worden sein und hätte damit zumindest 1146 existiert. Da bestand aber vermutlich die Kirche St. Johannes Baptist bereits und wäre dann dem Kanal zum dahinter das Wasser wegführenden Kanal im Weg gewesen.
Die Absenkung kann auch der Rest eines Altarms der Amper sein.
Weitere Funde
Sixt schreibt
Sowohl im Dorfe als auch in dessen unmittelbarer Umgebung wurden viele Grundmauern, meistens von kleinen römischen Privathäusern aufgedeckt und bei Umrodung des Bodens schönes Pflaster gefunden.
Noch steht eine niedere Mauerlinie, die einst den Tempelplatz umschlossen haben mag.
Vor dem Platze, auf welchem jetzt die Kirche erbaut ist, stand ein römisches Bad/thermae/, mit einer sehr schönen und praktischen Vorrichtung zur Herleitung des Wassers zu den Bassins und Baderäumen … «
Schade, daß Herr Sixt die Lage der “Mauerlinie” nicht dokumentiert hat. Schade, daß offenbar Bodenmosaike (wo immer die waren) damals einfach umgepflügt wurden.
Die letzte Bemerkung (“oral history” offenbar) paßt zu seinen Überlegungen zum möglichen Kanal, der dann womöglich zu diesem alten und im Mittelalter weiter genutzten Bad führte. Es wäre tatsächlich interessant zu untersuchen, ob Kirchen mit dem Patrozinium “Johannes” oft oder gar immer an Flüssen oder vielleicht sogar ehemaligen römischen Bädern liegen. Es gibt Hinweise darauf, daß die Baiovaren anfangs keine Kirchen bauten, sondern ihre Gottesdienste unter freiem Himmel in oder an römischen Gebäuden (oder Ruinen) abhielten. Wenn es ein römisches Bad in Schöngeising gab, dann diente es womöglich nach 500 n. Chr. als so ein Versammlungsort. Später hat man vielleicht daneben (oder darüber?) die erste Kirche gebaut.
Die eingehende Untersuchung aller Johann-Baptist-Kirchen in Bayern ergab keinen statistischen Zusammenhang zwischen römischen Gebäuden in Flußnähe und Johann-Baptist-Patrozinien.