Noch ein Altweg ab Schöngeising?

In dem Artikel

Franz Seraphin Hartmann: Bericht über den Ausflug nach Bruck und Umgegend; in: Oberbayerisches Archiv für vaterländische Geschichte (Hrsg. Historischer Verein von und für Oberbayern), Band 32, 1872-1873; Druckerei Wolf & Sohn. Seite 312 ff.

protokolliert der Gerichtsschreiber Hartmann eine zweitägige Exkursion von Altwegeforschern am 16./17.09.1871. Leider beschreibt der Autor die Gegegebenheiten nicht sehr präzis.

Er schreibt auf Seite 316 ff.

Nun gingen wir in das sogenannte Kalkofen-Dickicht, welches von dem Sträßchen nach Grafrath durchschnitten wird. Dieses war eine römische Verbindungsstraße und vermittelte den Verkehr zwischen den beiden Stationen ad Ambre und ad Novas und zwar über Steegen.
Hart am Eintritt dieser Straße in genannten Waldtheil, zur linken Seite befindet sich wieder eine trichterförmige Vertiefung, welche der Volksmund gleichfalls als „Wolfsgrube“ bezeichnet.
Referent kann sie für eine solche nicht erkennen; aus diesen trichterförmigen Vertiefungen wäre gefangenen Wölfen das Entkommen auch leicht gewesen; die Wände solcher Gruben, sollten sie ihrem Zweck entsprechen, müßten steiler sein.
Zweifellos war die Gegend an der Amper früh und stark bevölkert; die Ausbeute aus den dortigen Gräbern weisen entschieden auf ein keltisches Volk hin; auch kommen solche trichterförmige Vertiefungen in dieser Gegend häufig und sogar in Gruppen vor.
Referent glaubt deshalb den Schluß wagen zu dürfen, daß sie auf ehemalige keltische Wohnungen hindeuten; dieselben waren bekanntlich über solche trichterförmige Vertiefungen aus Holz gebaut und mit Stroh eingedeckt; die Vertiefungen dienten als Keller zur Aufbewahrung von Feldfrüchten und anderen Lebensmitteln.
Derartige trichterförmige Vertiefungen – „Margelles“, „Mardelles“ finden sich in der Schweiz, in Frankreich und in dem Elsaß sehr häufig.
In dem Kalkofendickicht, sowie auf der daranstoßenden Amperwiese befinden sich gleichfalls viele Grabhügel.

Der Kalkofen ist in der Uraufnahme eingezeichnet:

Der Kalkofen. Das gelb umrandete Gebiet umfaßt heute die Grundstücke Rothschwaiger Str. 1 bis 3. Das Symbol ist in der Legende der Uraufnahme als Kalkofensymbol aufgeführt. Lachsfarben eingekringelt ist eine Vertiefung, die laut Legende eine Sandgrube ist.

Die vom Autor diskutierte Wolfsgrube könnte die Sandgrube auf Grundstück #1 sein. Ein Flurname “Kalkofendickicht” ist in der Uraufnahme nicht genannt.

Rot hervorgehoben sind die Straßen der Uraufnahme. [1] ist die ehemalige Römerstraße von Landsberied kommend. [2] wäre der Weg über Wildenroth nach Grafrath. [3] ist die Rothschwaiger Str. (die zwischenzeitlich als B471 diente)

Wenn die “Straße nach Grafrath” im Jahr 1871 ein “Dickicht” durchschnitt, dann müssen die Grundstücke #170, #190 etc., die in der Uraufnahme noch Felder waren, zwischenzeitlich zugewachsen gewesen sein. Oder der Autor empfand die heutige Rothschwaiger Straße (in der Karte Nr. 3) als Teil der “Straße nach Grafrath”. Dann wäre das Dickicht nördlich der ehemaligen Römerstraße gewesen. In dem Fall könnte die “Wolfsgrube” der Rest des ehemaligen Kalkofens gewesen sein, dessen Vertiefung heute noch erkennbar ist.

Erstaunlich selbstsicher erklärt der Autor die Straße nach Grafrath zur ehemaligen Römerstraße über Inning nach Igling (westlich von Landsberg a. Lech, das vermutlich der Ort Novas auf der Tabula Peutingeriana war und an der Via Claudia Augusta lag.). Da fehlen allerdings die Belege.
Wir sehen natürlich eine Kette von Hügelgräbern von Inning/Stegen bis Schöngeising in gerader Linie. Das deutet schon auf eine keltische Straße hin, die vielleicht von Römern befestigt wurde. Aber das ist Spekulation.

Nach Besichtigung derselben wurde unsere Überfahrt über die Amper bewerkstelligt, welche auch glücklich von Statten ging; an dieser Überfahrtstelle soll in Urzeiten eine Brücke über die Amper geführt haben, und wirklich bemerkt man im Wiesengrunde noch das Segment einer alten Strasse, welches in den Fahrweg, der zur Sunderburg führt, mündet.

Hören-Sagen-Berichte sind natürlich mit Vorsicht zu genießen. Allerdings halten sich Erzählungen von tatsächlichen Sachverhalten oft erstaunlich lange. Immerhin hat der Autor offenbar Reste gesehen, die er für einen Altweg hielt. Ist die Beobachtung plausibel?

Wir wissen leider nicht, an welcher Stelle er übergesetzt ist. Wenn es tatsächlich eine Brücke gab, dann hätte sie sich als Weg fortsetzen müssen.

Quelle: Google-Maps, GeoBasis-DE/BKG (2009)
Rot die Wege aus der Uraufnahme, gelb die Wege aus den Positionsblättern,
blau könnten Wege gewesen sein – sie ergeben sich aus den Flurstücken.

Wenn sich auf der Flurkarte eine Linie zeigt und die Flurstücke immer versetzt auf diese Linie stoßen, dann läßt sich das mit einem ehemaligen Weg erklären (der zur Zeit der Uraufnahme schon gar nicht mehr existierte). Tatsächlich erkennt man zwei mögliche Nord-Süd-Verbindungen:

  • Das ist im Prinzip die Fortsetzung der heutigen Keltenstraße und würde einen Amperübergang über die Insel bei [3] bedeuten.
  • Der andere ginge bei [2] über die Amper. Er wäre letztlich die Fortsetzung der Rothschwaiger Straße [1].
    Man muß generell sagen, daß es ein Rätsel ist, warum die Rothschwaiger Straße offenbar bereits in der Uraufnahme derart breit und vermutlich stark genutzt war. Wenn man ein Dorf mit einer der wenigen Amperbrücken weit und breit hat, würde man ja annehmen, daß alle Straßenverbindungen auf diese Amperbrücke zielen. Die Rothschwaiger Straße bräuchte es dann gar nicht. Dieser obere Teil Schöngeisings war damals ja noch gar nicht besiedelt. Und doch gab es diese Straße. Und nicht weit davon entfernt ging auch der Brandenberger Mühlweg los.
    Eine mögliche Erklärung kann sein: Das ist ein Relikt eines nicht mehr vorhandenen Amperübergangs.

Der Autor spricht von “Wiesengrund” nach der Übersetzung südlich der Amper. In der Uraufnahme gibt es tatsächlich Wiesen nahe an der Amper. Dann hätte der Altweg aber doch quer durch die Grundstücke führen müssen.

Quelle: Google-Maps, GeoBasis-DE/BKG (2009)
Rot die Wege aus der Uraufnahme, gelb die Wege aus den Positionsblättern, blau könnten Wege gewesen sein – sie ergeben sich aus den Flurstücken. [1] ist die Rothschwaiger Straße.

Würde so ein Amperübergang westlich vom Ort Schöngeising überregional einen Sinn ergeben? Die blau eingezeichneten Wege sind nicht in der Uraufnahme als Weg eingetragen – sie ergeben sich aus den Flurstückgrenzen.
Für Reisende von Puch oder Bruck wäre der Weg über die heutige Brucker Straße über die heute noch existierende Brücke kürzer. Nur für Reisende von Landsberied böte der westliche postulierte Amperübergang eine kurze Verbindung Richtung Mauern. Wenn (aus welchen Gründen auch immer) die Rothschwaiger Straße stark frequentiert war, dann könnte man den Unterhalt einer Brücke für den Nord-Süd-Verkehr rechtfertigen. Allerdings wäre das eine Ortsumgehungsstraße, die die Infrastruktur für Fuhrleute (Schmied, Gasthaus) umgehen würde.

Für eine Römerstraße wären die möglichen Wege verdächtig krumm. Für eine Straße generell wäre es verdächtig nahe am mäandrierenden, hochwassergefährlichen Fluß.

Fazit

Wir wissen nicht sicher, was Herr Hartmann 1871 gesehen hat. Die Lage der Flurstücke gegeneinander läßt ehemalige Wege vermuten, die sogar auf zwei zusätzliche Furthe oder Brücken über die Amper hindeuten. Die Amper führt nicht viel Wasser und war früher womöglich noch etwas breiter und flacher als heute. Es kann also sein, daß es weitere Wege nach Süden gab. Für den Fernverkehr waren sie aber nicht nötig.
Eine Römerstraße über Inning und Landsberg a. Lech nach Igling klingt verlockend – aber dazu müßten irgendwo konkrete Hinweise auftauchen.

1 Kommentar zu „Noch ein Altweg ab Schöngeising?“

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