Die Römerstraße von AUGUSTA VINDELICUM (Augsburg) nach IUVAVUM (Salzburg)
Bernd Steidl: “Die römische Straßensiedlung Ambrae/Schöngeising” in Reinhard Jakob (Hrsg.): “Geschichten aus der Erde – Archäologie rund um den Jexhof”, LRA Fürstenfeldbruck, 2012
beschreibt, daß anfangs eine Straße von [Nero Claudius] Drusus [*38 v. Chr. +9 v. Chr.] während des [Augusteischen] Alpenfeldzuges [15. v. Chr.] angelegt wurde über den Reschenpaß nach Augsburg und weiter zur Donau. Sie wurde “VIA AUGUSTA” benannt.
Gleichzeitig oder später entstand eine weitere Straße: Die Verbindung Augsburg-Schöngeising-Salzburg. Die Straße war anfangs einfach eine unbefestigte Piste mit jeweils einem Entwässerungsgraben links und rechts in 4 Meter Abstand. Später kamen max. 30 cm Kies obenauf. [Krallinger]. Zum Bau gibt es keine schriftlichen Quellen. Aber es gibt archäologische Hinweise:
- Bei der Grabung 1953 durch Rudolf Krallinger wurde eine schmälere Straßenbreite (“etwa 6,00 Meter”, also womöglich 20 römische Fuß [5,92 Meter]) gefunden. Die 15 v. Chr. gebaute Via Claudia Augusta war breiter (7,10 Meter = 24 römische Fuß).
Das könnte darauf hindeuten, daß die namenlose Straße (die heute vom Tourismus als “Via Julia” vermarktet wird und in anderen (späteren) Quellen auch als “Via Tiberina” bezeichnet wird) eine unwichtigere Nebenstraße war oder zu einer anderen Zeit mit anderen Straßenbreitenvorstellungen gebaut wurde. - Die ältesten Eichenpfähle, die man im Bereich der ehemaligen römischen Amperbrücke bei Schöngeising gefunden hat sind aus dem Jahr 1. Das kann bedeuten, daß der Amperübergang anfangs eine Furt war und die Brücke erst 15 Jahre später kam. Oder die ganze Straße Augsburg-Salzburg wurde erst um Christi Geburt gebaut.
Im Jahr 46 n. Chr. unter Kaiser Claudius (41 – 54 n. Chr.) wurde die “VIA AUGUSTA” (die nicht durch Schöngeising führt) massiv ausgebaut und umbenannt in “VIA CLAUDIA AUGUSTA”. Aus dem gleichen Jahr stammen Eichenpfähle der römischen Brücke in Schöngeising. Die römischen Bautrupps waren also gleichzeitig auch auf der Strecke Augsburg-Schöngeising-Salzburg unterweg und haben zumindest diese Brücke renoviert.
Die Straße wurde mindestens bis Mitte des 5. Jhr. genutzt.
Die Römerstraße von Augsburg nach Salzburg muß östlich von Schöngeising 64 Meter überwinden von der Amper auf die Amperterrasse von Holzhausen.
Von der ehemaligen Römerbrücke zum Wald
Der Übergang der Römerstraße über die Amper ist zuverlässig bekannt. Dort wurden 1986 beim Bau der Natogasleitung die Holzpfosten der ehemaligen Römerbrücke gefunden. 2001 wurde weitere Pfähle durch Unterwasserarchäologie gesichert und datiert.
Die ältesten Pfähle sind
- von Christi Geburt [Die Römer haben – soweit man weiß – nie lang abgelagertes altes Holz in waldreiche Gebiete transportiert. Sie haben immer frisch geschlagene Stämme aus der Gegend verwendet. Somit wurde die Brücke (und die Strecke Augsburg-Salzburg) schon vor der Renovierung der Schwesterstraße VIA CLAUDIA AUGUSTA gebaut.]. Weitere Pfähle sind von
- 46 n. Chr. (dem Ausbaudatum der VIA CLAUDIA AUGUSTA) und vom
- Anfang der 70er Jahre n. Chr. und von
- 102 n. Chr. und von
- 120 n. Chr.
[Quelle: Steidl, 2012]
Im Anschluß daran macht die Römerstraße einen Knick nach links und läuft direkt auf ein modernes Haus zu: Das Haus ” Rupprechthäuschen” wurde 1901 vom Fürstenfelder Remontedepot als Arbeiterwohnhaus für die Angestellten in der Militärpferdezucht im Zellhof unwissentlich direkt auf die Trasse der Römerstraße gebaut. Das Haus ging dann an den Wittelsbacher Ausgleichsfonds (AWF), der den Zellhof und das Rupprechtshäuschen verkaufte: Den Zellhof an Familie Weiß und das Rupprechtshäuschen an den ehemaligen Gutsverwalter von Fürstenfeld, der an seine zwei Söhne vererbte. Die Familie Rupprecht wohnte dort lange. In trockenen Sommern zeichnet sich die Straße in Satellitenbildern deutlich ab.
Leonie Poller hat im Rahmen einer Land-Art-Installation diesen Teil der Römerstraße mit Steinen markiert:
Wir können also den Verlauf der Römerstraße zuverlässig ausschließen, wie er bei vici.org (ohne Angaben von Quellen) wiedergegeben wird:
Grabung 1953
Rudolf Krallinger 1953 hat kurz vor dem modernen Haus (dem “Rupprechthäuschen”) einen Schnitt durch die Römerstraße gemacht.
Rudolf Krallinger: Kleine Chronik von Schöngeising; Verlag Gemeinde Schöngeising, 1956; S. 6 ff.
- In bemerkenswerten 180 cm Tiefe begann demnach der Aufbau der alten Römerstraße. Sie besteht aus einer “harten Schicht” auf der
- eine dünne Decke aus Terra Sigillata liegt. [Das ist glänzend rotes römisches Geschirr, das Ende des 1. Jahrhunderts entwickelt wurde. Es kann also nicht von der ursprünglichen Straßenbefestigung 46 n. Chr. stammen.] Darauf dann
- eine dicke Schicht Schwemmkies [der sich irgendwie von “Kies” unterscheidet]. Wenn die Zeichnung korrekt maßstäblich ist, dann sind das 115 cm (Schwemm-)Kiesschicht! Darauf noch
- eine Schicht Kies.
Krallinger interpretiert die Ergebnisse so: Die ursprüngliche Befestigung der römischen Straße von 46 n. Chr. lag tatsächlich so tief. Durch immer wieder abrutschende Muren vom angrenzenden Hang wurde die Straße regelmäßig verschüttet – aber immer wieder hergerichtet: Auf die jeweilige Schwemmschicht aus Schlamm, Kies, zerstörten Gebäuden und Geschirrscherben wurde die Trasse als Erdpiste befahrbar befestigt. So wuchs die Fläche in der Höhe über der ursprünglichen Römerstraße unter Beibehaltung der Trasse. Die oberste Kiesauflage ist vermutlich eine (früh-)mittelalterliche Reparatur der Trasse durch Kiesaufschüttung.
Die Breite der Straße ist aus der Zeichnung nicht erkennbar. Krallinger schreibt, daß er für die dafür nötige weitere Grabung kein Geld auftreiben konnte. [Westlich der Amper hat er aber auch einen Schnitt gemacht. Da war die Fahrbahn 5,5 Meter breit. Dort war der “Straßenkörper” (also vermutlich die Kiesschicht) nur 30 cm dick.] Fahrrinnen wurden in der obersten Kiesauflage offenbar nicht gefunden.
[Hinweis: Die Ergebnisse von Krallinger sind so informativ, daß sein Artikel in einem separaten Blog-Beitrag noch viel ausführlicher dargestellt werden muß.]
Grabung 1992 – 1993
Dr. Klaus Burkhardt entdeckte Anfang der Neunziger Jahre auf dem Feld zwischen Amper und Zellhofweg und ca. 100 Meter von der Römerstraße entfernt, Kalksteinbrocken, die nicht auf natürliche Weise dort hingekommen sein konnten. So begann der Arbeitskreis “Vor- und Frühgeschichte” des Historischen Vereins Fürstenfeldbruck 1992 mithilfe des Landesamtes für Denkmalpflege seine erste Grabung und schloss sie 1993 ab.
Der Archäologe Stefan Mühlemeier, fasste das Ergebnis der Grabungen so zusammen:
Trotz der geringen Grabungsfläche (38 qm) konnte eine überraschende Menge an Informationen gewonnen werden. Nicht allein, dass hier bereits in keltischer Zeit gesiedelt und der Platz dann von den Römern belegt wurde, es konnte hier für Schöngeising, das mutmaßliche AMBRAE des Itinerarium Antonini, mindestens eine Straßenstation nachgewiesen werden. Der kleine Ausschnitt zeigt sowohl in Menge als auch Qualität die Bedeutung dieses Ackers nahe dem Amperübergang.
1993 gab es eine Nachgrabung durch Dietrich Steinerstauch. Hierzu gibt es (womöglich nur) einen sehr kurzen Grabungsbericht ohne Skizzen und Zeichnungen [wenn es noch einen ausführlicheren Bericht gibt, dann werden wir den an dieser Stelle später nachreichen]:
Dietrich Steinerstauch: Ambrae – Ausgrabungen an der Römerstraße in Schöngeising; Brucker Blätter, 1993, S. 83 – 87
Der mittlerweile verstorbene Archäologe Steinerstauch fand keine Gebäude oder Pfostenlöcher. Östlich der Grabungsfläche von 1992 fand sich der Rest des Eisenschmelzofens mit Schlacken, Holzkohlenascheresten und Gußklumpen. Dazu vermutlich den inneren Ofenboden aus Sand mit vermutlich Resten der Ofenverkleidung aus Kiesel und Wackersteinen.
Dazu ein 50 cm hoher Wall aus teilweise bearbeiteten, unbeschrifteten Kalkbruchsteinen, der von der Zellhofstraße in nordwestliche Richtung verläuft. Der Wall lag teilweise auf den Ofenresten – wurde also später angelegt. Zudem wurden Eisennägel und ein bronzenes durchbrochenverziertes Fragment (Gürtel oder Pferdegeschirrteil?) gefunden. Die gefundenen Münzen wurden für den Bericht nicht ausgezählt; offenbar waren sie hauptsächlich kleine Münzen des 4. Jahrhunderts und eine sehr gut erhaltene ALEXANDER SEVERUS von 222-235 n. Chr. Die Funde befinden sich heute in der Archäologischen Abteilung des Museums Fürstenfeldbruck im Kloster Fürstenfeld.
[Es gibt noch einen Bericht über diese Grabungen, auf den wir später einmal eingehen werden:
Eva Hiltmann: Ad Ambrae; Brucker Blätter, 2000, S. 28 ff. ]
Grabung auf der Turminsel 2007
Vom 17. – 20.05.2007 führte der Historische Verein Fürstenfeldbruck eine Grabung auf der Turminsel durch. Mit einem Suchschnitt sollten mündliche Erzählungen überprüft werden, daß dort bis 1767 noch ein Turm in Resten sichtbar gewesen sein soll, bis ihn ein großes Hochwasser vollkommen zerstörte. Der Sage nach war dieser Turm römischen Ursprungs. Da aber in der Nähe der Kirche wahrscheinlich auch eine frühmittelalterliche Burg war, ist es auch möglich, daß der Turm diese Burg war oder zu ihr gehörte. Es wäre auch beides denkbar: Ein römischer Turm, der später als Burg genutzt wurde, oder eine Burg aus den vorhandenen Steinen der römischen Häuser. Vielleicht war es aber auch ganz etwas anderes.
Ergebnis der Grabung: Kein Befund. Zumindest an dieser Stelle befand sich vermutlich kein Turm.
Turminsel 1871
In dem Artikel
Franz Seraph Hartmann: Bericht über den Ausflug nach Bruck und Umgegend; in: Oberbayerisches Archiv für vaterländische Geschichte (Hrsg. Historischer Verein von und für Oberbayern), Band 32, 1872-1873; Druckerei Wolf & Sohn. Seite 312 ff.
protokolliert der Gerichtsschreiber Hartmann eine zweitägige Exkursion von Altwegeforschern am 16./17.09.1871.
[…] lenkten wir unsere Schritte zur Insel „Thurm“, deren Name von dem Umstande herrührt, daß auf einer hügelähnlichen Erhöhung der selben ein römischer Wehrthurm gestanden ist, welcher im Jahre 1767 durch Hochwasser eingestürzt und im Jahre 1833 durch eine wiederholte Ueberschwemmung vollständig vernichtet worden sein soll; bei niederem Wasserstande ragen noch einzelne Quaderstücke desselben aus den grünen Wogen der Amper.
Vermutlich hat F. S. Hartmann 1871 die \”Quadersteine\” selbst nicht gesehen. Er könnte hier also Erzählungen aus der Zeit vor 1871 weitergeben. Steine wurden früher oft schnell geborgen und entweder zu Kalk verbrannt oder beim Hausbau wiederverwendet.
Eine “hügelähnliche Erhöhung” kann man heute nicht mehr ausmachen. Allerdings zeichnen sich zwei inneinanderliegende, weitgehend rechteckige Terrassen (mit einer Höhendifferenz von jeweils 10 cm) am Südende der Turminsel aus. Der innere (rote) Bereich hat die Maße ~7 m x ~26 m. Der weitere (gelbe) Bereich hat die Maße ~21 m x 30 m. Das wirkt zumindest auffällig und könnte auf eine künstliche Terrrasierung hindeuten. Für eine Motte (= Wehrturmhügel) wäre der “Hügel” definitiv zu flach. Aber als leichter Hochwasserschutz für ein Gebäude (eine Art Hallig) könnte es reichen.
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Vielen Dank für den informativen Post! Prima Tipp.
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