Mühlen

Vortrag von Erich Widmann in der Furthmühle am 05.12.19

Am 05.12.19 berichtete Herr Erich Widmann bei unserem Treffen in der Furthmühle von Mühlen. Er ist ein profunder Kenner der Mühlengeschichte (und auch der heutigen Situation von Mühlen). Er war Müller in der Peutenmühle bei Pleitmannswang (zwischen Kottgeisering und Zankenhausen). Anschließend war er 20 Jahre Führer in der Furthmühle.

In der Folge geben wir die wichtigsten Ergebnisse seiner Erzählungen wieder:

Im Vortrag erwähnte Mühlen. Quelle: Google-Maps, GeoBasis-DE/BKG, 2009

Mühle in Brandenberg?

(Mühl-)Bäche können über die Jahre schon einmal versiegen. Aber bei Brandenberg erkennt auch ein Mühlenfachmann keine Hinweise auf einen ehemaligen Mühlbach.

Vermutlich haben die Brandenberger ihr Mehl in

  • Peutenmühle (Pleitmannswang) [rund 1 Stunde zu Fuß über das Schneiderbergerl] oder in der
  • Windachmühle (Moorenweis) [eine knappe Stunde zu Fuß] gemahlen.

Zum Sägen konnten sie nach

  • Grunertshofen (Moorenweis) [1,5 Stunden zu Fuß]. Und später, als es Strom gab, in
  • Türkenfeld [1 Stunde zu Fuß]

fahren.

Herr Widmann meint, daß der Ort Brandenberg früher “Pychel” hieß und evtl. in “Schwarzlache” umbenannt wurde. [Zu beiden Begriffen läßt sich nichts im Internet finden. Wo war das? Es gäbe ein Schloß Pichl in Ainding nördlich von Augsburg – aber so weit zog ein Dorf doch eher nicht um. Das muß ja dann schon vor 1.100 n. Chr. gewesen sein.]

Fritz A. meinte, daß jeder Ortsadelige meist eine Mühle im Ort hatte. In Hausnummer 1 (Sedelhof) war spätestens 1.120 n. Chr. der Hof des Adeligen Gottschalk de Prantenberch. 1.147 n. Chr. übergab die Familie ihren Besitz schon an Kloster Wessobrunn. Eine kaum erkennbare Bodenerhebung könnte der Burgstall sein. Aber von einer Mühle steht offenbar nichts in den Urkunden.

Rot markiert die schwache Erhebung, die als der Burgstall von Gottschalk de Prantenberch angesprochen werden kann. [Quelle: Bayerische Vermessungsverwaltung, Uraufnahme]

Besitzverhältnisse und Rechtsverhältnisse

Der Müller als Besitzer (quasi Pächter)

Pro Mühle gab es immer nur einen (Besitzer-)Müller. Nur sehr selten war der Müller auch der Eigentümer (Grundherr).

Adel und Klöster wollten immer Eigentümer der lukrativen Mühlen sein. Die teuren Mühlen mußten immer laufen. In 87666 Pforzen (Kaufbeuren) starb der Müller der Klostermühle. Der Grundherr legte der Witwe nahe den Müllersohn vom Nachbarort zu heiraten, so daß die Mühle möglichst schnell wieder lief. [Tatsächlich heirateten dort 1764, 1789 und 1884 Müllerswitwen erneut Müller. Auf welche Witwe sich Herr Widmann bezog müßte man noch mal nachfragen.]

Im Brucker Stadtarchiv liegt ein Buch der Müllerinnung, das Auskunft gibt über die Mühlen und ihre Müller. [Toni Drexler hat es bereits ausgewertet.]

Nur sehr selten gelang es einem reichen Müller seine Mühle dem Eigentümer abzukaufen.

Keine Mühlenprivilegien

Es gab kein spezielles Mühlenrecht. Für Mühlen gab es keine Sonderrechte. [Außer evtl. ein Asylrecht für strafrechtlich Verfolgte, was womöglich zum schlechten Ruf der Mühlen beigetragen hat. Es soll teilweise auch Prostitution in Mühlen gegeben haben.]

Welche Rechte sich wer herausnahm hing womöglich von den Umständen ab:

  • Ludwig der Bayer (*1282, +1347) war Grundherr von 17 Mühlen. Deren Müller mögen sich als “kaiserliche Müller” mehr Rechte genommen haben.
  • Einige der maximal 31 Mühlen des Klosters Fürstenfeld lagen sehr weit entfernt. Eine davon sogar in Kufstein. Die entfernten Müller schalteten vermutlich eigenmächtiger, als die Müller nahe am Kloster, die eher unter Aufsicht standen.
Furthmühle von innen

Mühlen-Betriebserlaubnis

Für den Mühlenbau gab es allerdings eine spezielle Regel: Eine Mühle durfte nur bauen, wer beide Ufer des Wasserlaufs als Eigentum besaß. (Dann erhielt er das “Mühlrecht” = “Mühlgerechtigkeit”, also die Erlaubnis eine Mühle zu betreiben. [Das war ein “Regal”, also ein Recht, daß der König/Kaiser über die Lehen an die Grundherren weitergeben konnte.])

Handmühlen durfte hingegen jeder auf seinem Hof betreiben. Zumindest Schrotmühlen gab es auf jedem Hof. Eine Magd oder die Bäuerin mahlten damals üblicherweise täglich eine Stunde mit der Handmühle!

Unehrbarer Beruf

Müller war ein “unehrbarer Beruf”. Im Mittelalter gab es diese Kasten/Stände:

  • Adel (und Klerus)
  • Bürger
  • Bauern
  • Unehrbare (Schäfer, Müller, Türmer, Bader, Leineweber, Barbiere
    oder Mobile Gewerbe (Fahrendes Volk), wie Kesselflicker, Hausierer etc.
    oder unschöne Gewerbe, wie Henker, Köhler, Totengräber, Abdecker.)

Das bedeutete: Die Müller im Landkreis konnten weitgehend nur untereinander heiraten (oder andere Unehrbare). Vermutlich waren alle Braumiller etc. dadurch eng verwandt. Sie hatten ihre Mühlen notgedrungen oft einsam außerhalb der Ortskerne. Aber selbst im Wirtshaus durften sie offenbar – im Mittelalter – nicht einfach am Tisch mit den Bauern sitzen.

Kein Mühlenzwang

Einen Mühlenzwang (also die Verpflichtung durch den Grundherren nur bei einer vorgegebenen Mühle – der “Bannmühle” – zu mahlen) gab es nur für Mahlmühlen (also nicht für Sägemühlen). Und das praktisch nicht in Bayern. Für die Grundherren mit ihrem weit verstreuten Grund- und Mühlenbesitz wäre das auch schwer durchsetzbar gewesen.

In 86925 Lechmühlen (Fuchstal) gab es vier Mühlen nebeneinander. Vielleicht konnte der Grundherr da schon Präferenzen durchsetzen – die Wegstrecke konnten die Bauern da ja nicht als Argument bringen.

Furtmühle

Situation der Mühlen früher

Mühlen waren unterschiedlich groß. Das hing ab von der Grundstücksgröße, dem Wasserzulauf etc.
Die Furthmühle hatte neben dem Besitzer [quasi dem Pächter] (dem eigentlichen Müller) 4 weitere Müller. Dazu 3 – 4 Leute für die Säge und diverse Fuhrleute.

In der Peutenmühle wurde im 24-Stunden-Betrieb gearbeitet.

Nicht immer, aber oft, war auch eine Schneid-/Sägemühle Teil der Mühle: z. B. in

  • Eching
  • Obermühle in Inning
  • Furtmühle

(Die Peutenmühle, Wildenroth, Untere Mühle in Inning waren dagegen nur Mahlmühlen.)

Ölmühlen gab es gelegentlich auch für Leinöl und etwas Bucheckeröl. Sie sind anders konstruiert, als Mahlmühlen. Daher sind die immer separat. Schöngeising hatte früher z. B. ein zusätzliches Schlagwerk für Öl (da lief also kein Kollerstein im Kreis).

Wege zur Mühle und Zuständigkeiten

Der Eigentümer (Grundherr) mußte sich um die Wege zur Mühle über seinen Grund kümmern. Dazu hatte er Scharwerkdienste in einem Scharwerkbuch eingetragen: “Seine” Bauern (sozusagen Pächter) mußten dann Dienst leisten, um den Weg oder den Mühlbach zu richten.

Da Mühlen oft außerhalb der Ortschaften lagen (wo der Zugang zum Fließgewässer eben gerade günstig war), waren natürlich immer gewisse Wege zur Mühle nötig, die sonst kaum genutzt wurden. Somit hatte jeder Ort mit Mühle zwangsläufig einen “Mühlweg”.

Es gab keine gesonderten Mühlwegrechte.

Der Müller war nur für den Wassereinlauf zur Mühle zuständig (z. B. das Wasserrad).

Anfahrt zur Mühle

Getreide lagert jahrelang. Mehl hingegen nimmt Feuchtigkeit auf und schimmelt. Zudem bauen es Enzyme ab. Man konnte Mehl also nicht lange lagern und müßte ständig frisch mahlen lassen.

  • Große Höfe mit mehr als 300 Tagwerk mahlten alle 2 Monate. Denn sie hatten große Fuhrwerke.
  • Kleine Höfe konnten nicht so viel transportieren (und mußten das Getreide teilweise im Schubkarren fahren oder auf dem Buckel tragen oder von einem Nachbarn mitnehmen lassen). Sie mußten daher alle 4 Wochen zur Mühle.

Die Anfahrtswege waren sehr unterschiedlich:

  • Die Schöngeisinger gingen ab 1891 zur Mühle Wildenroth, als ihre Mühle zum E-Werk umgebaut wurde. [etwa 50 Minuten zu Fuß]
  • Als die Wildenrother Mühle aufgegeben wurde, gingen sie zur Peutenmühle. [Rund 2 Stunden zu Fuß. Laut Herrn Widmann: Mit Getreidesäcken z. B. auf Ochsenkarren dauerte es offenbar 3 Stunden.] Das waren die am weitesten entfernten Kunden der Peutenmühle.
  • In Ausnahmefällen fuhr man noch viel weiter: Im 16. Jahrhundert und um 1780 kamen die Münchner zum Mahlen nach Wildenroth, weil nur die Amper nicht zugefroren war.

Vor etwa 200 Jahren hat man Termine ausgemacht zum Mahlen. Dann bekam man das Mehl aus exakt dem eigenen Getreide. Das kostete Wartezeit vor der Mühle. Dafür riskierte man nicht, daß man Mehl vom minderwertigen Getreide des Nachbarn erhielt. (Die Güte des Mehls hing stark vom optimalen Erntezeitpunkt und dem Feuchtigkeitsgehalt des Getreides ab.)

Mit Aufkommen der Lastwägen fuhr der Müller alle 14 Tage Mehl in die Dörfer und nahm dabei gleich Getreide zum Mahlen mit. Das Mehl war dann nicht unbedingt vom eigenen Getreide.

Wasser und Zulauf

Entscheidend ist die mittlere Wassermenge pro Jahr und vom Gefälle. Sie bestimmen die Leistung gemessen in PS, mit der die Mühle betrieben werden kann. Kleine Mühlen haben 2 – 4 PS. (In Kottgeisering nur 1/2 PS.) Im Gebirge reichen 20 l/sec. um mit 4 bis 5-Meter-Rädern eine Mühle zu betreiben. Die Furthmühle hatte 1,65 cm Gefälle und vermutlich 50 l/sec. Wenn die Wassermenge nicht reicht, benötigt man einen Stauweiher, um zumindest kurzzeitig auf die nötige Wassermenge zu kommen.

[In Brandenberg hätte man 6 m Gefälle von der vermutlich nicht sehr wasserreichen Quelle zu den ersten Häusern. Man müßte aber den Wasserzulauf aufständern, was vermutlich sehr reparaturanfällig wäre. Aber dann käme man vermutlich schon auf ausreichend Leistung.]

Bei mehreren Mühlen am gleichen Gewässer benötigt man Eichpfähle, um den Wassserverbrauch zu regeln. Wenn ein Müller staut, dann dreht sich weiter oben das Mühlrad nicht mehr. An der Amper schimpften die Flößer über die wechselnden Wassserstände.

Der Höllbach der Peutenmühle entwässerte früher einfach in das Ampermoos. Mittlerweile macht er einen Knick Richtung Eichbühl bei Zankenhausen um einige Grundstücke durch Entwässern nutzbar zu machen.

Alternative Antriebe

  • Windmühlen waren hier unüblich. (Nur Augsburg hat einmal mit einer Windmühle experimentiert.) Erst nördlich von Göttingen wurden Windmühlen eingesetzt. Anfang des 20. Jahrhunderts kamen vereinzelt kleine Windrotoren als Wasserpumpen auf.
  • 82272 Dünzelbach (Moorenweis) hatte eine Roßmühle für Färberwaid mit einem Kollerstein. Das war ein Rondell von 6 – 8 Metern Durchmesser.
  • In Türkenfeld gibt es einen Hausnamen “Stumpfmühlgütl”. Das könnte eine Stampfmühle für Knochenmehl gewesen sein oder der Name kommt von einem kleinen Sack (den man als “Stumpf” bezeichnete) – was immer das dann bedeutet.

Die Kunst des Mahlens

Jedes Feld hat unterschiedliche Böden und eine andere Ausrichtung zur Sonne. So wird das Getreide immer zu anderen Terminen reif. Die Bauern haben zwar oft den Müller um Rat gefragt, ob sie schon ernten sollen. Dann haben sie den Rat aber oft nicht akzeptiert und zu früh geerntet. So war die Mehlqualität sehr unterschiedlich.

Getreide soll idealerweise 12 % Wasser enthalten. Manchmal hat es aber 18 – 20 % Feuchte. Dann ist es nicht mahlbar und der Bauer muß es erst im Speicher trocknen. Solche
Trockenböden findet man heute noch in alten Speichern, wie Susanne P. berichten konnte.
Insbesondere Hartweizen aus dem Ausland kommt teilweise sehr trocken an mit gerade 9 – 10 % Feuchte. Dann zerbröselt die Schale, landet im Mehl und läßt sich nicht mehr aussieben. Solche Getreide müssen erst angefeuchtet werden.

Mühlstein

Ein Mühlstein mahlt nur am äußersten Rand (der “Mahlbahn”). Dort ist er charakteristisch geschliffen. Das hat der Müller immer selbst erledigt. Dabei schlagen Funken auf den Handrücken, woran man früher Müller erkannte. Über die Schleifart kann man Mühlsteine zeitlich zuordnen. Die alten Römer haben anders geschliffen als die heutigen hiesigen Müller.

Mahldauer

Bei einem Mühlstein von 1 Meter Durchmesser erreicht man diese Durchsätze:

  • Weizen: 370 – 400 kg/h (mit 4,5 – 5.2 PS)
  • Roggen: 200 – 500 kg/h (mit 2,8 bis 5,6 PS)

Mit einem moderneren Walzenstuhl (die Mühle heißt dann “Kunstmühle”), deren Walzen 50 bis 150 cm lang waren, erreicht man diese Durchsätze:

  • Weizenschrot pro 10 cm Walzenlänge: 120 – 140 kg/h (mit 0,5 – 0,6 PS)
  • Weizenmehl pro 10 cm Walzenlänge: 40 – 50 kg/h (mit 0,5 – 0,7 PS)

[Pro PS war der Walzenstuhl also nicht schneller als der Mühlstein. Aber wenn die Mühle genug Leistung hat, kann man mit einer 150-cm-Walze natürlich deutlich schneller mahlen. Denn die Fliehkräfte beschränken den Durchmesser eines schweren Mühlsteins: Ist er zu groß, dann zerreißt es ihn.]
Die Walzen haben Rillen – für Roggen andere als für Weizen. Die Rillen zerschneiden das Korn und die Siebe sind für jedes Getreide anders. Eine Mühle hatte also separate Weizen- und Roggenbereiche.

Gemahlenes Getreide

Ab den 1920er Jahren importierten Großmühlen Getreide insbesondere aus den USA.

In Deutschland wurden 2019 44,7 Millionen Tonnen Getreide gemahlen. Das setzte sich zusammen aus

  • 23,12 Millionen Tonnen Weizen
  • 11,65 Millionen Tonnen Gerste [wobei Braugerste eigentlich gemälzt und dann geschrotet wird. Brotgerste ist eher ungebräuchlich. Also war es wohl Futtergetreide. ]
  • 3,5 Millionen Tonnen Roggen
  • 3,5 Millionen Tonnen Körnermais [also Polenta und Tierfutter]
  • 0,5 Millionen Tonnen Hafer

Backen

Die Peutenmühle hat selbst gebacken und war bekannt für ihr gutes Brot. Der Teig mußte Gerstenmehl enthalten wegen der Kruste. Und statt Wasser nahm man Magermilch.

Mühlenstilllegung

Nach dem Krieg zahlte zunächste ein Fonds der Großmühlen und danach, als dieser nicht mehr reichte, die Steuerzahler die kleinen Mühlen aus, um den 17 verbleibenden Großmühlen das Überleben zu sichern. Das waren dann immer noch zu viele. Viele Mühlen gehören heute dem Good-Mills-Konzern mit österreischer Muttergesellschaft.

2 Kommentare zu „Mühlen“

  1. Pingback: Mühlen – ergänzende Informationen – Altwege im Landkreis Fürstenfeldbruck

  2. Pingback: Mühlen - ergänzende Informationen - Geschichte des Landkreises Fürstenfeldbruck

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Cookie Consent mit Real Cookie Banner