Tabula Peutingeriana

Eine original römische Straßenkarte ist uns – in einer Abschrift – erhalten geblieben.

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Tabula Peutingeriana

(Artikel von Ulrich Bähr)

Eine römische Straßenkarte

Um 1200 n. Chr. malte ein Mönch aus Colmar eine römische Straßenkarte ab, die über etliche Umwege in der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien landete. Im sogenannten „Dunklen Mittelalter“ hat also ein Mönch eine alte, womöglich heidnische Karte akribisch abgezeichnet, obwohl vermutlich auch er die wenigsten Ortsnamen zuordnen konnte. Es wirkt wie ein Ausdruck der reinen Forscherlust.

Die ursprüngliche Originalkarte ist verloren. In einer Tagung der Wiener Nationalbibliothek wurden Entstehungsdaten von 13. v. Chr. bis 300 n. Chr. diskutiert. Die Karte ist 7 Meter lang, aber nur 30 cm hoch. Zudem ist sie keineswegs maßstabsgetreu. Sie entspricht also eher dem Typus U-Bahn-Karte. In römischen Zahlen werden (meist) die Meilen zwischen den Stationen angegeben.

Die Abschrift besteht aus aneinandergeklebten Pergamenten. Unsere Region RAETIA SECUNDA II ist auf Blatt 3 und 4.

Die Karte neu ediert

Der Lehrstuhl für Alte Geschichte der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt erforscht seit 2017 diese Karte und hat kürzlich eine Online-Datenbank dazu veröffentlicht: Die Eichstätter Datenbank. Zu jedem in der Karte genannten Ort erhält man ausgiebige Informationen, Kommentare und Literaturhinweise. Sehr schön ist auch, dass man dort Ausschnitte aus dem Barrington-Atlas sehen kann, an den man sonst nicht frei zugänglich herankommt.

Etwas kurios ist, dass ein Projekt, das sich intensiv mit einer Karte beschäftigt, keine eigene Karte herausgibt. Nicht einmal eine schlichte Graphik, die die identifizierten Orte mit korrekten Koordinaten ausgibt und die Verbindungen als Geraden dazwischen, kam bislang dabei heraus. Kurios ist auch, dass die Ortssuche auf strikter Groß-Kleinschreibung besteht – bei römischen Namen. Und es fehlen Querbezüge: Beim Ort Escone wird nicht auf die Verbindung zu Aoodiaco verwiesen; die findet man nur bei Abodiaco. Und dieses Abodiaco taucht offenbar in der Tabula noch mal als Auodiaco auf – die hätte man bei der Auflösung der Toponyme auch zusammenwerfen können.

Andere Editionen

Sehr hilfreich ist auch https://www.tabula-peutingeriana.de/

Straßenstationen in Südbaiern

Südbairische Straßen­stationen auf der Tabula Peutingeriana

Aus unserem (großzügig weit gefaßten) Gebiet tauchen dort diese Straßenstationen auf:

Stationsname auf der Karte (Abkürzungen aufgelöst)

Alternativer römischer Name

Heutiger Name

Augusta Vindelicum

 

86150 Augsburg

Urusa

 

82396 Pähl oder 82399 Raisting [Raisting würde besser passen]

Bratananio

Bratanium

82131 Gauting (vielleicht auch Grünwald oder Deisenhofen)

Isunisca

Isinisca

85653 Großhelfendorf (Aying)
[Wobei die Meilenangaben für 82041 Deisenhofen sprechen.]

Adenum

 

Innbrücke bei 83071 Leonhardspfunzen (Stephanskirchen) bei Rosenheim

Bedaio

Bedaium

83358 Seebruck am Chiemsee

Abodiaco
Auodiaco

Abodiacum

86920 Epfach (Denklingen)

Viaca

 

in oder bei 87700 Memmingen (oder eigentlich 20 km näher an Augsburg)

Ponione

Pomone

“bei Auerbach” Richtung Zusmarshausen(???) auf dem Weg nach 89173 Lonsee

Rapis

 

86830 Schwabmünchen

Navoae

 

87653 Eggenthal

Campoduno

 

87435 Kempten

Escone

 

bei einem Weiler “Echt” (???) nahe 86975 Auerberg (Bernbeuren)
[oder auf dem Freiberg bei 87640 Biessenhofen, wie der Heimatforscher Paul Jörg meint]

Ad Novas

 

unbekannt, bei 86899 Landsberg am Lech?

Coveliacas

 

Moosberg (???) ist damit 82418 Moosberg (Murnau a.Staffelsee) gemeint?

Tarteno

Parthanum, Parthano

82467 Partenkirchen (???)

Scarbia

 

A-6108 Scharnitz oder 82481 Mittenwald (??)

Vetonia

 

bei A-6170 Zirl am Fuße des Isel (???)

Ad Lunam

 

89173 Urspring (Lonsee)

Iuavo

Iuvavum

A-5020 Salzburg

Vemania

 

88316 Bettmauer (Isny)

Artobrige

 

bei 83317 Oberteisendorf [die Römerstraße führt allerdings direkt an 83317 Teisendorf vorbei]

Karte mit den Orten

Auf eine moderne Karte abgebildet sehen die Strecken, die auf der Tabula Peutingeriana dargestellt werden so aus (wobei die Lage der Straßenstationen oft strittig ist):

Abbildung Südbairische Orte, die in der Tabula Peutingeriana genannt werden. Blau sind nicht zuverlässig lokalisierbare Orte und Strecken. Gelb ist die nicht erwähnte Verbindung Gauting-Augsburg. (Geobasisdaten: Bayerische Vermessungsverwaltung Nr. 2203-004302)

Verbindungen der Straßenstationen

Noch nicht entdeckte und fehlende Verbindungen

Einige der eingezeichneten Strecken sind aktuell nicht als Bodendenkmal eingezeichnet: Raisting/Pähl-Kempten, Epfach-Partenkirchen, Memmingen-Augsburg, Epfach-Auerberg(?).

Noch viel mehr fällt auf, daß sehr viele bekannte Römerstraßen fehlen (z. B. Augsburg-Wels, Wielenbach-Murnau-Partenkirchen, Gauting-Augsburg, Kempten-Bregenz). Und es scheinen nur sehr große Straßenstationen gelistet worden zu sein.

Die Verbindungen

Das führt zu diesen Teilstrecken zwischen den großen Straßenstationen:

Von

nach

Meilen laut Tabula Peut.

Kilometer gemessen

Iuavo

Artobrige

16 (23,7 km)

16,6 km (was dafür spricht, dass Artobrige nicht in Teisendorf, sondern bei der Steigung westlich von 83317 Kendlbichl (Teisendorf) war)

Artobrige

Bedaio

16 (23,7 km)

29,1 km

Bedaio

Adenum

13 (19,3 km)

29,7 km (nach 19,3 km wäre man erst in 83139 Söchtenau. So gesehen wäre Adenum=Söchtenau und nicht am Inn.)

Adenum

Isunisca

20 (29,6 km)

27,4 (Wenn Adenum = Söchtenau war, dann wäre 30 km weiter Isunisca bei 83052 Bruckmühl.
Von Gauting her gerechnet würde man Adenum mit Bruckmühl gleichsetzen. Dort gab es zumindest auch eine kaiserzeitliche Siedlung: Akte D-1-8137-0103)

Isunisca

Bratananio

12 (17,8 km)

35,9 (17,8 km von Gauting entfernt liegt eigentlich 82041 Deisenhofen, wo die Römerstraße einen markanten Knick macht und die Hangkante eine Station mit Vorspannpferden plausibel macht. Somit wäre Isunisca=Deisenhofen plausibler.)

Matreio

Vetonina

18 (26,7 km)

 

Vetonina

Scarbia

18 (26,7 km)

 

Scarbia

Tarteno

11 (16,3) km

18,6 km

Tarteno

Coveliacas

20 (29,6 km)

18 km (Das könnte bedeuten, dass Covliacas 10 km weiter nördlich liegt, also etwa in 82436 Eglfing)

Coveliacas

Auodiaco

41 km (Selbst wenn Coveliacas=Eglfing wäre, dann wäre das mit 31 km eine beachtliche Tagesetappe). Womöglich sind Audiaco und Abodiaco doch nicht beide identisch mit Epfach)

Auodiaco

Ad Novas

~ 25 km (wenn man Ad Novas genau auf halber Strecke zwischen Epfach und Augsburg annimmt)

Ad Novas

Augusta Vindelicum

~ 25 km (wenn man Ad Novas genau auf halber Strecke zwischen Epfach und Augsburg annimmt)

Campoduno

Escone

20 (29,6 km)

33,4 km (womöglich viel länger!)

Escone

Abodiaco

18 (26,7 km)

26,7 km

Abodiaco

Urusa

13 (19,2 km)

15,1 km (wenn Urusa=Pähl, dann 20,2 km, was hier besser passen würde.)

Urusa

Bratananio

12 (17,8 km)

28,6 km (17,8 km von Gauting entfernt ist etwa Andechs)

Campoduno

Navoae

18 (26,7 km)

28 km

Navoae

Rapis

23 (34 km)

39 km

Rapis

Augusta Vindelicum

18 (26,7 km)

23 km

Ad Lunam

Ponione

40 (59,3 km)

39,2 km (wenn man die Strecke Augsburg-Urspring halbiert. Man landet dann in etwa in Burgau (von Augsburg kommend)

Ponione

Augusta Vindelicum

12 (17,8 km)

39,3 km (da fehlt mindestens eine Tagesetappe

Viaca

Augusta Vindelicum

20 (29,6 km)

67,2 km. Nach rund 30 km kommt allenfalls bis 86424 Dinkelscherben oder Walkertshofen. Auf der ganzen Strecke Richtung Memmingen sind praktisch keine römischen Straßen eingezeichnet.

Die Römerstraße von Gauting bis Salzburg ist 139 km lang. Wenn man die Teilstrecken der Tabula addiert, kommt auf 114 km. Es fehlt also eine Tagesetappe von 25 km.

Wo ist Isunisca?

Die Römerstraße zwischen Gauting (Bratananio) und Leonhardspfunzen (Adenum) ist mindestens 64,2 km lang. Wir kennen den Verlauf zwischen Feldkirchen-Westerham und Leohnhardspfunzen nicht. Wenn die Römerstraße dort nicht schnurgerade verlief, war sie sogar noch länger.

Die Tabula gibt für diese Strecke aber nur 47,4 km an. Es fehlt also ein Stück von 14,8 km.

Irgendwo zwischen Gauting und Leonhardspfunzen soll die Straßenstation Isunisca liegen. Aber wo?

Rechnet man von Gauting aus, landet man nach 17,8 km bei Deisenhofen, wo die Römerstraße einen markanten Knick macht, um durch einen Hohlweg in das Tal des Hachinger Bachs absteigen zu können.

Rechnet man von Leonhardspfunzen aus kommt man nach 29,6 km wieder bei einem Hohlweg heraus, der die römischen Vermesser zu einem leichten Knick zwang: Diesmal westlich von Großhelfendorf. Also lag Isunisca bei Deisenhofen, bei Großhelfendorf oder als Kompromiß bei der ehemaligen römischen Siedlung Sauerlach-Walchstatt.

Gesamtbild

Wir sehen im Großen und Ganzen zentralistisch strukturierte Straßen von Augsburg zu den wichtigen Pässen im Süden:

  • Via Raetia über Garmisch und Brenner nach Bozen
  • über Salzburg und die Tauern nach Udine
  • über Kempten und Lindau über Splügenpass nach Mailand
  • über Memmingen nach Augst

Heute hat z. B. Frankreich mit Paris in der Mitte eine ähnliche Straßenstruktur.

Allerdings fehlt

  • Via Claudia Augusta über Epfach, Schongau und Füssen, Fernpass, Reschenpass, Bozen nach Trient. Ende des 3. Jahrhunderts wurde sie offenbar weitgehend von der Via Raetia ersetzt. Auch das spricht für eine Entstehungszeit der Tabula Peutingeriana in dieser späten Phase.
  • Das Teilstück Augsburg-Schöngeising-Gauting (das heute als Via Julia vermarktet wird): Das könnte bedeuten, dass es Ende des 3. Jahrhunderts nicht mehr so relevant war. Womöglich war die Verbindung von Augsburg in den Osten über Salzburg nicht mehr so entscheidend. Denn wenn dieses Teilstück tatsächlich nicht mehr ausreichend unterhalten war, dann verdoppelte sich die Fahrstrecke von Gauting nach Augsburg (über Epfach) auf 100 km.
    Dieses Teilstück muss aber beim Eintreffen germanischer Siedler noch weitgehend existiert haben, den bis zur Flurbereinigung lebte es in Straßen und Feldwegen fast überall weiter. Aber womöglich war das Teilstück Ende des 3. Jahrhunderts eher eine matschige Piste voller Schlaglöcher und teilweise überwachsen.

Generell verbanden die wichtigsten römischen Alpenpässe den Rheingraben (Köln, Trier) mit Italien durch die heutige Schweiz. Schon Augsburg war da wohl eher am Rand und diente nur der Versorgung der Limestruppen.

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