Holzhauser Kirchweg

Fünf Altwegeforscher schauten sich am 18.01.20 in einer Kurzexkursion den Holzhauser Kirchweg an.

Die Altwegeforscher (ohne dem Photographen Rudolf)
Hohlweg-Bündel des Holzhauser Kirchwegs (rot und gelb-organge) geteilt durch eine tiefe Erosionsrinne (blau), nördlich der Römerstraße (gelb) zwischen Schöngeising und Holzhausen. Oberer Bildrand: Der Zellhof. Quelle: Bayerische Vermessungsverwaltung und Google-Maps, 2020, GeoBasis-DE/BKG, GeoContent, Maxar Technologies

Zwischen Schöngeising und Kloster Fürstenfeld liegt der Zellhof, der lange zum Kloster gehörte. Etwas südlich davon beginnt ein Bündel Hochwege, das auf die Amperterrasse hochführt, bis es die flache Ebene vor 82239 Holzhausen (Alling) erreicht.
Parallel dazu windet sich etwas weiter südlich der Hohlwegfächer der ehemaligen Römerstraße auf die gleiche Ebene empor.

Die Beschreibung

Quelle: Bayerische Vermessungsverwaltung und Google-Maps, 2020, GeoBasis-DE/BKG, GeoContent, Maxar Technologies

Der Hohlwegfächer ist unterbrochen von

  • einem Feld (Steigung 4 %, also flach), das im nördlichen Teil den Flurnamen “Abdecker” trägt und
  • einem Waldstück zwischen zwei Wegen (Steigung 4 %, also so flach, daß hier früher auch ein Feld hätte sein können. Spuren von Wegen kann man im Relief jedenfalls nicht mehr ausmachen. Auf allen bekannten Karten ist dort ein Wäldchen eingetragen. Wenn es also früher ein Feld gab, dann deutlich vor 1800.)

Somit besteht der Altweg aus 3 Hohlwegfächern:

  • Ab dem Zellhofweg kann man im Relief sehr schwach einen kleinen ersten Fächer aus 4 Hohlwegen ausmachen (hier gelb-orange dargestellt). Das deutet darauf hin, daß der Holzhauser Kirchweg von Süden her begangen wurde (also z. B. von der Schöngeisinger Brücke aus rund um die Amperschleife auf der Holzhausener Straße in die Zellhofstraße). Die Hohlwege haben hier eine Steigung von 9 %.
  • Der zweite Hohlwegfächer ist deutlich ausgebildet und hat eine Steigung von 7,5 % und wird aus 5 Hohlwegen gebildet.
  • Der dritte Holwegfächer nach dem Wäldchen hat eine Steigung von 10,5 %. Der Fächer ist ein Bündel aus mindestens 10 parallelen Hohlwegen, die sich teilweise kreuzen. Das Hohlwegbündel wird geteilt durch ein eine sehr tiefe Erosionsrinne (hier blau), die vermutlich einige ehemalige Hohlwege aus- und weggespült hat. Mindestens den Hohlweg 3.3 durchschneidet sie, was beweist, daß sie jünger als die Hohlwege ist. Die Erosionsrinne mäandert stark und ist daher gut unterscheidbar von den Hohlwegen.

In Summe stellt dieser Altweg eine flachere, gleichmäßigere Alternative zum Römerstraßen-Hohlwegfächer dar.

Die Funktion

Wie immer stellt sich die Frage nach der Funktion eines Weges.

Kirchweg?

Eine kolportierte Aussage besagt, daß Schöngeising zum Pfaffinger Kirchensprengel gehörte und die Schöngeisinger daher öfter über Holzhausen und Biburg nach 82256 Pfaffing (Fürstenfeldbruck) zur Kirche St. Stephan mußten, wenn der Pfaffinger Pfarrer keine Zeit hatte, die Messe in Schöngeising zu halten. (St. Stephan wurde Ende des 9. Jahrhunderts erstmals erwähnt und war bis 1806 die Mutterpfarrei der Kirchen in Fürstenfeldbruck, Schöngeising und Biburg – nicht umgekehrt!) Daher auch der überlieferte Name “Holzhauser Kirchweg”. Diese Ansicht ist aber fragwürdig, denn die Hohlwege sind Fahrwege. Wären die Schöngeisinger tatsächlich mit Fuhrwerken in die Kirche gefahren?

Römischer Ausweichweg?

Der Hang, durch den die Hohlwege der Römerstraße hochliefen, war erosionsgefährdet und ist es noch heute. Eine Parallelverbindung kann nach Erdrutschen und starken Ausschwemmungen den Transport am Laufen halten.

Das stellt die Frage: Den römischen Ingenieuren war diese zweite Route sicherlich von vornherein klar. Warum haben sie die Römerstraße dann nicht ein wenig weiter nördlich trassiert, um den Berg um einige Steigungsprozente flacher zu nehmen?

  • War es so viel einfacher die Brücke bei der Turminsel zu bauen?
    Im weiteren Verlauf der Römerstraße nach Salzburg gibt es mehrere Beispiele, wo die Römerstraße einen scharfen Knick zu einem geeigneten Flußübergang machte (was die Römerstraße östlich der Amper ja auch ein wenig macht). Es wäre also schon möglich gewesen, die Trasse über die flachere Anhöhe zu führen und trotzdem die Turminselbrücke zu nutzen.)
  • War eine Vorgänger-Piste schon so gut ausgebaut, daß es verlockender war, sie so zu übernehmen, wie sie war?
  • Bestand die keltische Siedlung oben auf der Anhöhe noch beim Bau der Römerstraße? Wollte man daher die Römerstraße nicht mitten durch diesen Ort führen?
  • Benötigte man einen Ausweichweg während des Baus der Hohlwege der eigentlichen Römerstraße, damit durchgehend der Verkehr fließ konnte?

Keltische Ortsverbindung?

Betrachtet man die Karte der Bodendenkmäler

frühgeschichtliche und keltische Siedlungen grün. Keltische Hügelgräber gelb. Römische Siedlung und Straße rot.
Quelle: Bayerische Vermessungverwaltung.

dann fällt auf:

Womöglich gab es zwei Ketten keltischer Siedlungen entlang der Amper bzw. der Amperterrasse:

  • unterhalb der Höhenstufe
  • oberhalb der Höhenstufe

Dazwischen gab es eine Kette keltischer Hügelgräber direkt an der Hangkante.

Der Altweg läuft dann direkt auf die keltische Siedlung westlich von Holzhausen zu und verbindet sie mit den Siedlungen “im Tal”.

Amperquerung?

Theoretisch denkbare Amperfurt. Quelle: BayernAtlas, Bayerische Vermessungsverwaltung

Die Amper ist meist flach, auch an dieser Stelle. Heute sind genau hier Stromschnellen, die aber modern anmuten. Die alten Flurgrenzen würden nicht gegen einen Altweg von der Brucker Straße über die Amper sprechen. Tatsächlich findet man im Relief des “Angerlaichs” an dieser Stelle einen 10 bis 30 Zentimetern hohen Damm. Rechts der Amper (östlich) setzt er sich aber nicht fort. Der auf der Karte rosa eingezeichnete Wegverlauf liegt heute unter Feldern und zeigt keinerlei dammartige Erhöhung.

Stromschnellen in der Amperbeuge mit Blick auf Zellhof
Damm (hellbraun) mit den Höhenprofilschnitten darunter (blau). Die oben angesprochene theoretisch denkbare Amperfurt (rosa). Eine weitere mögliche Amperfurt (grün). Quelle: BayernAtlas, Bayerische Vermessungsverwaltung

Wenn man alle 20 Meter mit dem BayernAtlas einen Schnitt macht und die Höhenprofile nebeneinander setzt, kann man den Verlauf des Dammes erkennen. Da erscheint er unnötig krumm und verbreitert sich auch unnötig im Anschluß an den vermuteten Altweg, der sich aus den Flurgrenzen zu ergeben scheint.
Der Hohlwegfächer #1 (der ohnehin kaum ausgeprägt ist) würde dann nicht zu dem Altweg gehören oder kam erst später dazu.

Nordöstlich erkennt man aber einen weiteren Damm, der evtl. zu einem hier grün dargestellten Weg führen könnte (der sich aber in keiner Weise im Relief oder in alten Karten abzeichnet). Dieser Damm ergäbe eine eher gradlinige Verbindung zur Amper. Falls es ein Weg war, könnte er z. B. für den Zellhof als Abkürzung zur heutigen Brucker Straße genutzt worden sein, falls der Weg nach Kloster Fürstenfeld rechts der Amper unpassierbar war. Heute befindet sich an der Stelle, an der der Weg in die Amper führen würde eine breite Sandbank. Dies wäre also ein sehr geeigneter Ort für eine Furt.

Sandbank (auf dem grünen Weg) in der Amperbeuge mit Blick auf Stromschnellen.

Der Verlauf der Amper hat sich seit 1805 offenbar wenig geändert. Sie war damals sogar breiter und flacher, da der linksseitige Uferstreifen noch Teil der Amper war.

Flurkarte der Uraufnahme auf Google-Earth-Darstellung. Geobasis DE/BKG Bildaufnahme 6/3/2019

Die Hohlwege im Detail

Bei der kurzen Erstbesichtigung konnten die Hohlwege nicht im Detail untersucht. werden.

Hohlwegefächer #1 und #2

Die nummerierten Hohlwege des ersten und zweiten Hohlwegfächers. Quelle: Google Maps.

Hohlwegfächer #3

Die nummerierten Hohlwege des dritten Hohlwegfächers. Blau ist die Erosionsrinne. Quelle: Google Maps.

3.6 ist heute vermutlich ein weiterhin genutzter Holzweg.
Knapp nördlich des östlichen Endes von 3.6 findet man einen modernen Weg. Er ist auf der Karte auch zu sehen. (Den nördlichen Arm der Kreuzung gibt es nicht mehr. Er ist auf der obigen topographischen Karte noch eingezeichnet. Der Bauer hat ihn aber mittlerweile weggepflügt.)

Am östlichen Ende von Hohlweg 3.6

Nach dem östlichen Ende von 3.8 findet sich eine kleine Erosionsrinne, die im Relief nicht gut erkennbar ist.

Der Damm zwischen 3.8 und 3.7/3.10 wurde zwischenzeitlich offenbar als moderner Weg befestigt.

Hohlweg 3.6 westlich der Kreuzung mit Hohlweg 3.7

Andere interessante Punkte

Zellhofeichen

Die Zellhofeichen

Diese 300 Jahre alten Eichen (die damals womöglich noch ältere Eichen ersetzt haben) sind Gerichtsbäume: Sie markierten die Grenze zwischen den Gerichtsbezirken Weilheim und Dachau.

Taferl-Buche

Reste der Taferlbuche
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Ehemaliger Standort der Taferlbuche. Quelle: Google-Earth, Bildaufnahmedatum 6/3/2019

An dieser Buche waren Votivtafeln angebracht. Der Verbleib dieser Tafeln ist unbekannt.

Es geht das Gerücht, daß sich im Waldboden zwischen den Resten der Taferlbuche und dem Beginn des Hohlwegfächers #3 die Überreste eines amerikanischen Jagdfliegers aus dem zweiten Weltkrieg befinden.

Grenzstein-Spolie

Nahe beim Zellhof befindet sich in einem kleinen Hain ein altes Holzhüttchen. Bei der Pflasterung davor wurde ein ehemaliger Grenzstein verwendet mit der Beschriftung “MFF”, das wir als “Monasterium Fürstenfeld” deuten.

Grenzstein in Pflasterung

Holzhauser Keltenterrasse

Nördlich des Hohlwegfächers #3 verlängert sich die Hochebene von Holzhausen zu einer Nase mit einer eigentümlichen Struktur:

Holzhauser Keltenterrasse. Gelb der Graben um die Struktur. Grün ein Weg bzw. ein breiter Graben, in den womöglich ein Weg gelegt wurde. Rot die Hohlwege. Blau die Erosionsrinne. Zwei Markierungen für beraubte Hügelgräber. Quelle: Google-Earth, Kartendaten 2020 GeoBasis-DE/BKG, GeoContent, Maxar Technologies.

Ganz offensichtlich ist die Terrasse von Menschen mit großem Aufwand hingeschaufelt worden. Da sich exakt in der Mitte ein beraubtes Hügelgrab befindet, ist davon auszugehen, daß die Struktur von Kelten geschaffen wurde. Das Denkmalamt bezeichnet es jedoch als “Abschnittsbefestigung des frühen Mittelalters”. Eine militärische Nutzung ist vorstellbar, da – wenn man den Wald niederbrennt – die Amper weiter unten gut bewacht werden kann. Die Terrasse mißt 60 x 100 Meter und ist etwa 14 Meter hoch. Sie ist aber nicht völlig eben, sondern ein gerundeter Buckel. Das Hügelgrab etwas weiter südlich ist quasi in Rufweite.

Keltenterrasse mit darunter liegendem umlaufenden Plateau. Nach Norden aufgenommen.
Keltenterrasse mit beraubtem Hügelgrab in der Mitte. Nach Westen aufgenommen.
Holzhausen inmitten des Hochplateaus oberhalb der Amper gleich im Anschluß an die Holzhauser Keltenterrasse. Im Bereich der Wiese im Hintergrund vermutet das Denkmalamt eine \”Siedlung vor- und frühgeschichtlicher Zeitstellung\” – also wohl eine keltische Siedlung.
Stark verwitterter Grenzstein mit Beschriftung “K(?) W” zwischen Wald und Acker vor der Keltenterrasse

Klangweg

Nachfolgenden Generationen an Archäologen und Geschichtsbegeisterten wollen wir nicht vorenthalten, daß der moderne Weg parallel zum Altwegefächer #3 bei einer Aktion 2013 Teil des sogenannten “Klangwegs” war.

Anlässlich der 1250-Jahr-Feier der Gemeinde Schöngeising im Jahr 2013 haben sich Musiker, bildende Künstler, Architekten, Historiker, Akustiker und Instrumentenbauer zusammengetan und unter der Federführung der Heinrich-Scherrer-Musikschule einen akustischen Spaziergang durch Schöngeisinger Wald und Wiesen mit dem Titel “GEHEN-HÖREN-SEHEN” erarbeitet. Zwölf Hör- und Klangstationen waren von April bis Oktober 2013 auf einem ca. 3 km langen Rundweg vom Dorfkern an der Amper entlang durch den lichten Mischwald der “Amperleite” zurück zum Ausgangspunkt installiert.

Aufnahmeort der beiden Photos von 2013 des Schöngeisinger Klangwegs
Bild #1 des Schöngeisinger Klangwegs von 2013: “Das Hörauge”
Bild #2 des Schöngeisinger Klangwegs von 2013: “Xylonia”

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