Grenzen in der Uraufnahme

von Ulrich Bähr

Zusammenfassung

Inhalt

Die Markierung von Orts- und Gerichtsbezirks-Grenzen in der Uraufnahme ist unzuverlässig. Ein paar Tipps helfen aber, die damaligen Grenzen zu identifizieren.

Soll- und Ist-Vergleich

Wo werden die Grenzlinien erklärt

Wer die Uraufnahme im BayernAtlas als Hintergrundbild eingeblendet hat und dann auf das runde (i) am rechten Rand klickt, der kann sich die Kartenlegende in sehr schlechter Scan-Qualität einblenden lassen: https://www.geodaten.bayern.de/ba-data/Hilfe/legende_uraufnahme.pdf

Grenzen

Den Kartenzeichner wurde demnach aufgetragen, Ortsgrenzen (hier als „Flur“ bezeichnet) durch eine gepunktete Linie darzustellen. Gerichtsbezirksgrenzen sind eine Strichpunktlinie.

Abbildung Grenzen in der Legende der Uraufnahme(„Planzeichnung nach den Vorschriften von den Jahren 1808 und 1830“ o. J.)

Nicht publizierte Regeln

Die folgenden Regeln stehen dort nicht, sie wurden aber offenkundig in der Uraufnahme so praktiziert:

Ortsgrenze ist ein Attribut einer anderen Grenze

Die Grenzmarkierungen verlaufen immer entlang anderer Grenzen. Beispiel: Wenn eine Grundstücks- oder Gewässergrenze gleichzeitig eine Ortsgrenze ist, dann wird neben der Grundstücksgrenze eine gepunktete Linie gezeichnet.

Abbildung Grundstücksgrenzen (durchgezogene Linie) sind gleichzeitig Ortsgrenzen (weil eine gepunktete Linie parallel entlangläuft.)
Die beiden linken Grundstücke sind zudem als Zaun markiert. Rechts anschließend begrenzt eine Hecke das Grundstück.

Dicke Punkte

Grenzmarkierungen sind mit dicken Punkten bzw. Strichen markiert.

Abbildung Der Mühlbach als Ortsgrenze (bei Graßlfing) mit sehr dicken Punkten

Gerichtsgrenze schlägt Ortsgrenze

Höherrangige Grenzen schlagen niederrangige Grenzen. Wenn ein Ort an einer Gerichtsbezirksgrenze endet, dann wird die Grenze nur durch die Gerichtsgrenzenmarkierung dargestellt. Eine Ortsgrenzenmarkierung fehlt dann.

Probleme

Auf dem ersten Blick wirkt das wie ein durchdachtes Markierungssystem. Doch es hat Mängel.

Orte zwischen Gerichts­bezirken

Das Weglassen niederrangiger Grenzen führt zu Zweifelsfällen. Denn erstaunlicherweise durchschneiden Gerichtsgrenzen manchmal Orte. Wo endet dann der Ort: An der Gerichtsgrenze oder doch erst an der nächsten erkennbaren Ortsgrenze?

Abbildung Eine Gerichtsgrenze ist teilweise Ortsgrenze und teilweise nicht (beim Ascherbach in Gröbenzell)

Unvollständige Karten

Die Kartographen haben die Grenzen nicht vollständig erfaßt. Manchmal enden sie unvermittelt:

Abbildung Endende Gerichtsgrenze südlich der heutigen Wettersteinstraße in Gröbenzell

Fehlende Grenzen

Einige Kartographen haben überhaupt keine Grenzen erfaßt. Auf dem Nachbarkartenblatt ist die Grenze noch zu sehen – sie endet dann aber abrupt am Blattschnitt:

Abbildung Keine Grenzmarkierungen auf Uraufnahmeblatt südlich der heutigen Alpenstraße in Puchheim.

Dünne Punkte

Die Punkte der gepunkteten Linien sind manchmal zu dünn. Sie sind dann kaum unterscheidbar von Wiesenmarkierungen oder Feldwegen.

Abbildung Blattschnitt südlich des Geiselbullacher Schloßes: Punkte in sehr unterschiedlicher Dicke

Verwechselte Markierungen

Auf einzelnen Blättern hat der Kartograph die Gerichtsbezirksgrenzen mit der Fußwegmarkierung gezeichnet.

Moore

In Mooren und Flußauen scheinen durch die Bank keine Grenzen eingezeichnet worden zu sein. Noch heute gibt es nicht festgelegte Grenzen in unwirtlichen Gebieten (z. B. in der Rub al-Chali-Wüste die Grenze zwischen Oman und Saudi-Arabien). Vielleicht waren im 19. Jahrhundert Ortsgrenzen im Sumpf tatsächlich irrelevant.

Gemischte Markierung

Wenn eine Hecke Ortsgrenze ist, dann haben manche Kartographen die Grenzlinien-Punkte auf die selbe Seite gemalt, wie die Heckensymbole. Zwischen den Heckensymbolen verstecken sich dann auch noch die Punkte.

Abbildung Ortsgrenzenpunkte zwischen Zaunmarkierungsstrichen westlich von Mauern

Zu ähnliche Markierungen

Schlampige Kartographen haben Hecken auch als Kreise gezeichnet. Damit sehen sie teilweise, wie nicht ausgefüllte Ortsgrenzenpunkte aus:

Abbildung Hecken nördlich von Grafrath-Johannishöhe – keine Ortsgrenzen

Feldwege sollten eigentlich durch eine Linie neben einer gestrichelten Linie dargestellt werden werden. Tatsächlich sehen wir meist gepunktete neben einer durchgehenden Linie. Dann sind Feldwege eigentlich nicht von Ortsgrenzen mit etwas dünnen Punkten unterscheidbar:

Abbildung Feldweg – keine Ortsgrenze (in der “Wolfszange” zwischen Unteralting und Mauern)

Mit den Mängeln umgehen

Akzeptieren

Die Grundstücksnummern gehören immer jeweils nur zu einer Ortschaft und natürlich möchten wir oft wissen, ob ein Feld #8 auf der Uraufnahme nun zu einem Hof in Puch oder in Aich gehörte. Aber das werden wir alleine mit der Uraufnahme nicht immer sicher entscheiden können, wenn die Ortsgrenze nicht klar ist. Wir benötigen dann zusätzliche Quellen.

Großräumig betrachten

Für eine Ortsgrenzenbestimmung dürfen wir nicht nur die (scheinbaren) Grenzmarkierungen in unmittelbarer Nähe zu unserem Untersuchungsgebiet betrachten. Wir sollten auch die Grenzen der Nachbarorte und die Gerichtsbezirksgrenzen verfolgen. In der Gesamtschau wird dann oft halbwegs klar, wo die Ortsgrenze verlief (und wo man anfangs auf zweideutige Markierungen hereingefallen ist).

Gesunder Menschen­verstand

Grenzen laufen üblicherweise nicht schnurgerade auf das Wirtshaus im Ort zu. Falls eine Markierung in der Uraufnahme diesen Anschein erweckt, dann handelt es sich vermutlich eher um einen Feldweg.

Ortsgrenzen damals und heute

Verwirrende Ortsgrenzen

Naiv hat man die Vorstellung von Orten als fast runden Rodungsinseln mit etwas Wald am Rand. In der Praxis haben die Orte aber wurmartige hochkomplexe Grenzen:

Abbildung Ortsgrenzen (blau) bei Mischenried

Bestimmte Waldstücke und Zugänge dazu wurden offenbar Orten zugeschlagen. Auch heute kommt es vor, daß z. B. die Fläche einer Umgehungsstraße der Stadt Starnberg zugeschlagen wird, damit sie für den Unterhalt sorgt. Womöglich gab es früher ähnliche Transaktionen.

Vergleich mit heute

Die Orte sind in der modernen Verwaltung ohne Bedeutung. Es gibt nur noch Gemeinden, die im Falle von Maisach auch einmal 24 Orte umfassen können. Der BayernAtlas liefert und konsequenterweise keine modernen Ortsgrenzen, mit denen wir die alten Ortsgrenzen vergleichen könnten.

Die Landkreise sind heute deutlich abweichend von den alten Gerichtsbezirken geschnitten. Der Westrand von München und München-Land hat aber noch immer sehr viele Überdeckungen mit den alten Gerichtsgrenzen.

Die heutigen Gemeindegrenzen verlaufen erstaunlich oft auf alten Ortsgrenzen. Da sehen wir also eine gewisse Konstanz über die Jahrhunderte.

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Cookie Consent mit Real Cookie Banner