Fragestellung
Die Römerstraße Salzburg-Augsburg führt nicht direkt nach Augsburg, sondern macht mehrere markante Schwenkungen. Darunter
- Bei Jesenwang/Willibaldskirche schwenkt die Straße nach Westen
- Bei Egling a. d. Paar schwenkt die Straße nach Norden auf die Römerstraße Scharnitz-Garmisch-Augsburg ein.
Damit stellen sich zwei interessante Fragen:
- Nutzte die Strecke Salzburg-Augsburg zwischen 82287 Jesenwang/Willibaldskirche und Egling a. d. Paar eine bereits bestehende vorrömische Trasse?
- War die Trasse Jesenwang/Willibaldskirche-Egling a. d. Paar Teil einer deutlich längeren Verbindung zwischen 85646 Anzing und 86830 Schwabmünchen?
Zusammenfassung: Aus den bekannten Resten römischer Straßen und spät-latènezeitlicher Viereckschanzen kann man dies nicht überzeugend beantworten. Die Strecke zwischen Jesenwang/Willibaldskirche und Egling a. d. Paar könnte durchaus einen keltischen Vorläufer gehabt habt. Ein Abzweig der Römerstraße Augsburg-Wels bei 85646 Anzing/85661 Schwaberwegen über das heutige München und 86492 Egling a. d. Paar zum Bodensee ist nicht gänzlich auszuschließen, aber unwahrscheinlich.
Römisches Straßennetz
Bekannte römische Straßen
Auf der folgenden Karte sieht man das heute bekannte römische Straßennetz. Die Straßen wurden zu unterschiedlichen Zeiten gebaut und womöglich auch wieder aufgegeben. Es ist also nicht sichergestellt, dass zu einem Zeitpunkt alle diese Straßen gleichzeitig existierten. Im Bereich südlich und östlich von Augsburg sind diese Römerstraßen als Bodendenkmäler eingetragen.
Hypothetische Verbindungen
#3 Das Teilstück zwischen Forstinning und Erding ist die logische Verbindung von zwei „Sackgassen“-Bodendenkmalsstraßen.
#2 ist die lineare Fortsetzung des dokumentierten Teilstücks bei Anzing und eine mögliche Verlängerung der Strecke Augsburg-Wels, die bei Schwaberwegen nach Norden abbiegt. Allerdings gibt es westlich von Forstinning bei Anzing ein sehr kurzes Stück, das eine direktere Verbindung nach Augsburg andeutet. Denkbar ist ein Anschuss an die Strecke Salzburg-Augsburg bei Jesenwang-St. Willibald, wo Salzburg-Augsburg einen markanten Westschwenk ausführt.
#1 wäre eine lineare Fortsetzung der Strecke Salzburg-Egling a. d. Paar über den Lech hinaus.
Warum die Strecke Jesenwang/Willibaldskirche-Egling a. d. Paar?
Wenn man eine Straße neu anlegt von Jesenwang/Willibaldskirche nach Augsburg, dann wäre der direkte Weg über Althegnenberg nach Mering oder Kissing. Warum also schwenkt die Römerstraße bei Jesenwang/Willibaldskirche nach Westen Richtung Egling a. d. Paar?
Mögliche Gründe für den Umweg über Egling a. d. Paar
- Das Gelände könnte zu bergig gewesen sein.
Tatsächlich hätte es auf einer Länge von 18 km nur 60 Meter Höhenunterschied mit meist eher geringen Steigungen gegeben, die man mit guter Trassenwahl noch hätte reduzieren können.
- Die Neubautrasse wäre länger.
Tatsächlich hätten 5 km mehr Straße gebaut werden müssen. Dafür hätten die Reisenden auf Dauer 4 km eingespart.
- Es gab die Trasse bereits.
Wenn bei Jesenwang/Willibaldskirche bereits eine Straße verlief (sei es eine römische oder eine keltische), dann hätte man wohl keine fast parallele Straße gebaut.
Fortsetzung der Strecke Willibaldskirche/Jesenwang-Egling a. d. Paar nach Westen?
Wenn es das Teilstück Jesenwang/Willibaldsirche bis Dünzelbach/Stephansleite (bei Egling a. d. Paar) bereits gab: Hätte es sich nach Westen fortgesetzt? Etwas problematisch wären dabei die Bachgräben von Paar und Dünzelbach. Eine Ost-West-Verbindung hätte man da womöglich weiter nördlich verlegt.
In Schwabmünchen mündet hingegen die Römerstraße vom Bodensee in die Parallelstraße der Via Augusta. Würde man diese Bodenseestraße gedanklich 20 km fortsetzen (über den Ort Graben, den Lech, am Ort Winkel vorbei) träfe man auf Dünzelbach/Stephansleite. Das ergäbe für einige römische Orte und Bauernhöfe rechts des Lechs eine kürzere Verbindung zum Bodensee – wäre aber angesichts der Strecke Gauting-Raisting-Kempten-Bodensee nicht unbedingt nötig.
Trotzdem könnte man oberhalb der oft überschwemmten Lechebene die Augen offen halten, ob sich hier nicht zwischen Hattenhofen-Winkl-Scheuring Straßenreste zeigen.
Der Lech selbst war vermutlich überwindbar. Heute ist er vielfach aufgestaut, breit und tief. Damals mäanderte er noch breiter, aber flacher durch die Ebene und bot sicher viele Gelegenheiten für Furten.
Fortsetzung der Strecke Willibaldskirche/Jesenwang-Egling a. d. Paar nach Osten?
Das kurze Stück bei Anzing deutet an, dass sich die Römerstraße Augsburg-Wels westlich von Schwaberwegen Richtung München fortgesetzt hat. Wie weit ist nicht zu sagen. Nahe München gibt es heute einfach zu viele Straßen und Siedlungen. Wenn es eine Ost-West-Verbindung gab, hat die auch zur Kelten- und Römerzeit mit den gleichen Problemen zu kämpfen, wie die mittelalterlichen Straßen: Nördlich von Moosach und Germering war es sumpfig.
Der Münchner Berg bei Fürstenfeldbruck bot den nördlichst möglichen Abstieg in das Ampertal, den die mittelalterliche Straße nutzte. Dort gibt es eine noch heute genutzte Straße (\”Herzogstraße\”) an Aich vorbei über Babenried bis Jesenwang/Willibaldskirche.
Fazit: Ja, vielleicht
Ja, es wäre denkbar, dass es eine keltische oder römische Verbindung von Anzing bis Schwabmünchen gab, von der ein Teilstück durch die Römerstraße Salzburg-Augsburg genutzt worden sein könnte. Das könnte die zweimalige Verschwenkung der Trasse erklären. Aber es gibt keinerlei Beweise dafür.
Keltische Viereckschanzen und Römerstraßen
Römerstraßen auf Keltenwegen?
Eine oft gehörte These ist, dass die Römer öfter bereits bestehende keltische Fernstraßen nur ausgebaut hätten. Sie hätten dabei die Trassen also nicht selbst geplant und gerodet, sondern lediglich verbessert.
Gewisse Hinweise auf keltische Wegverläufe
Es gibt kaum bestätigte keltische Straßenabschnitte. Was wir aber heute finden, sind Viereckschanzen der späten Latènezeit, bei denen man vermuten kann, dass sie Zentralhöfe in wichtigeren Orten darstellten. Da Wege üblicherweise Orte verbinden, könnte man folgern, dass Orte mit Viereckschanzen in der Nähe von keltischen Wegen lagen. Tatsächlich findet man in einigen Gebieten einigermaßen linear angeordnete Viereckschanzen, die einen keltischen Weg als Verbindung vermuten lassen (z. B. Perlach-Oberhaching-Egling, Seeon-Traunreut-Petting-Salzburg?, Gauting-Aubing, Eichstätt-Neustadt a. d. Donau)
Keine ausreichenden Hinweise auf keltische Wege
Allerdings sehen wir auch viele Einzellagen von Viereckschanzen und auch Haufenbildungen ohne erkennbare lineare Struktur. Das erweckt in Summe nicht den Eindruck, dass keltische Viereckschanzen bevorzugt in der Nähe überregionaler Wege angelegt wurden.
„Via Julia“ und Donaugebiet
Einigermaßen augenfällig sind die vielen Viereckschanzen entlang einer Römerstraße zwischen 85072 Pfünz (Eichstätt) und 85104 Lobsing (Pförring). In diesem römischen Grenzgebiet an der Donau gibt es allerdings sehr viele Römerstraßen, so dass sie fast schon zwangsläufig in der Nähe von Viereckschanzen liegen mussten. Da aber die Viereckschanzen dort auch einigermaßen linear liegen, könnte hier tatsächlich eine keltische Trasse zu einer Römerstraße erweitert worden sein.
Die heute als „Via Julia“ vermarktete Römerstraßentrasse zwischen Steindorf-Gauting/Buchendorf-Oberhaching zeigt 11 Viereckschanzen näher als 550 Meter zu diesem Straßenabschnitt. Das ist eine fast schon zwingende Korrelation. Hier ist tatsächlich ein keltischer Urweg zu vermuten.
„Via Julia“ im Detail
Konkret sind bislang diese Viereckschanzen bekannt entlang der so genannten „Via Julia“:
PLZ | Ort | Gemeinde | Viereckschanze | Entfernung zur Römerstraße |
82297 | Steindorf | Steindorf | Steindorf, D-7-7732-0008 | 1.300 m |
82272 | Römertshofen | Moorenweis | Moorenweis-Nordost, D-1-7832-0149 | 25 m |
82272 | Moorenweis | Moorenweis | Moorenweis-Ost, D-1-7832-0138, verebnet | 290 m |
82287 | Jesenwang | Jesenwang | Jesenwang-West, D-1-7832-0137, verebnet | 240 m |
82296 | Schöngeising | Schöngeising | Schöngeising-Süd, D-1-7833-0159 | 285 m |
82296 | Schöngeising | Schöngeising | Schöngeising-Südost D-1-7833-0024 | 530 m |
82239 | Holzhausen | Alling | Holzhausen, D-1-7833-0081 | 325 m |
82205 | Steinlach | Gilching | Steinlach-West (Gemeinde Gilching), D-1-7833-0226 | 280 m |
82205 | Steinlach | Gilching | Steinlach-Nordwest (Gemeinde Gilching), D-1-7833-0225 | 10 m |
82131 | Buchendorf | Gauting | Buchendorf (Gemeinde Gauting), D-1-7934-0013 | 0 m |
82041 | Deisenhofen | Oberhaching | Deisenhofen-West (Gemeinde Oberhaching), Denkmalnummer D-1-7935-0044 | 80 m |
82041 | Deisenhofen | Oberhaching | Deisenhofen-Süd (Gemeinde Oberhaching), D-1-7935-0043 | 0 m |
82041 | Deisenhofen | Oberhaching | Deisenhofen-Ost (Gemeinde Oberhaching), D-1-7935-0042 | 890 m |
Wir sehen dabei ein paar Auffälligkeiten:
Abgesehen von Buchendorf treten die Viereckschanzen entlang der Strecke immer in Gruppen auf.
Um „Steinlach Nord-West“ macht die Römerstraße explizit einen Bogen. Entweder gab es den Bogen bereits im Vorgänger-Weg oder die Viereckschanze war zur Bauzeit noch von Bedeutung oder es wäre mühevoller gewesen die Viereckschanze zu planieren, als sie zu umgehen.
Die Römerstraße machte einen expliziten Bogen, um „Buchendorf“ zu erreichen. Tatsächlich vermeidet sie dadurch aber einen 5 Meter tiefen Graben. Der Bogen wäre also auch ohne die Viereckschanze hilfreich. Die Römerstraße verläuft hier auf zwei parallelen Wegen, wovon einer die Viereckschanze durchschneidet – laut Bodendenkmalskarte. Das sollte man genauer untersuchen.
„Deisenhofen Süd“ wird eindeutig von der Römerstraße durchschnitten. Hier haben die Römer – wenn es einen keltischen Vorgängerweg gab – definitiv eine neue Route gewählt und die Viereckschanze war für sie bedeutungslos. Tatsächlich ist dieser Bereich ohnehin viel stärker geprägt von der Nord-Süd-Achse entlang des Hachinger Bachs und weiter bis Egling.
Viereckschanzen entlang München- Schwabmünchen
Wenn wir den Abschnitt Jesenwang/Willibaldskirche bis Egling a. d. Paar beidseits verlängern, dann finden wir keine überzeugende Häufung von Viereckschanzen.
Von Westen beginnend finden wir auf dieser gedanklichen Linie lediglich
PLZ | Ort | Gemeinde | Viereckschanze | Entfernung zur hypothetischen Verlängerung |
86830 | Schwabegg | Schwabmünchen | D-7-7830-0027 | 850 m |
86853 | Langerringen | Langerringen | D-7-7830-0102 allerdings nur ein „Grabenwerk vor- und frühgeschichtlicher Zeitstellung“ | 3.000 m |
86836 | Untermeitingen | Untermeitingen | D-7-7830-0080 allerdings nur ein „Grabenwerk vor- und frühgeschichtlicher Zeitstellung“ | 650 m |
81249 | Aubing | München | D-1-7834-0044 | 40 m |
81249 | Aubing | München | D-1-7834-0045 | 340 m |
81249 | Aubing | München | D-1-7834-0388 | 750 m |
Die Aubinger Viereckschanzen sind aber in einer Nord-Süd-Kette angelegt und deuten eher auf einen Weg Richtung Gauting.
Insgesamt ein geringer Zusammenhang
Wenn wir uns ganz Südbaiern ansehen, kann man die These von ausgebauten Keltenwegen als Römerstraßen nur streckenweise bestätigen. Zumindest solange man nur die heute bekannten Viereckschanzen betrachtet.
Ganz offensichtlich verlaufen die meisten Abschnitte der Römerstraßen nicht an Viereckschanzen vorbei. Bei Salzburg könnte es einen Keltenweg gegeben haben – die Römerstraße zieht aber deutlich südlicher vorbei. Zwischen 85435 Straß (Erding) und 85560 Forstinning (Ebersberg) gab es wohl auch einen keltischen Weg und wohl auch eine Römerstraße, wie die vielen Ort mit „straß“ andeuten. Doch in der Bodendenkmalskarte ist sie erst nördlich von Erding vermerkt.
Hallo Herr Bähr,
wieder einmal danke für Ihre Unterlagen. Ich stimme Ihren Aussagen vollkommen zu. Ich würde mich gerne telefonisch mit Ihnen unterhalten, bitte übermitteln Sie mir Ihre Telefonnummer, meine ist 08784 9679870
Mit freundlichen Grüßen Peter Geldner
Guten Herr Bä(h)r,
wie besprochen die beiden Artikel.
Gruà Peter Geldner