Exkursion Brandenberger Mühlweg am 15.09.19

Gudrun, Klaus, Kristina, Rudolf, Uli und Wolfgang untersuchten am 15.09.19 den Westteil des Brandenberger Mühlwegs.
(Dorlis, Fritz und Roman schauten beim Start vorbei – konnten aber nicht mitlaufen.)

Routenvarianten

Zwischen Brandenberg und Reichertsried ist auf der Uraufnahme kein durchgehender Weg eingezeichnet. Die Wegebezeichnung “Mühlweg” taucht hier nicht auf. Im Prinzip erkennt man 3 mögliche Varianten (wobei wir uns auf Grund der Informationen des Orsansässigen auf Süd-Brandenberg fokusiert haben. Evtl. gab es zur Nordroute auch noch eine direkte Verbindung von Nord-Brandenberg.):

Routenvarianten im Westteil des Brandenberger Mühlwegs. Quelle: Google-Maps (Kartendaten 2019 GeoBasis-DE/BKG, GeoContent, Maxar Technologies))
  • Die Nordroute (rosa): auf heute noch existierenden Wegen (bis auf einem kurzen Segment am westlichen Waldrand. Hier zeichnet sich aber ein ehemaliger Weg im Relief ab.) Diese Variante wäre ein wenig länger, wie die übrigen Varianten.
  • Der Rennweg (rot-orange): Offenbar ein alter Botenreitweg. Er böte die kürzeste Verbindung. Allerdings ist unbekannt, ob Ochsenkarren mit Getreidesäcken auf einem Rennweg früher fahren durften. Und irgendwann wurde der Weg verstellt durch den “Roßkasten” (Segment 0004.59).
    Im Waldstück zwischen Roßkasten und den Feldern vor Reichertsried verlief ein im Relief gut erkennbarer Weg etwas nördlich des Rennwegs (Segment 0004.60). Dieses Waldstück war wegen der Brombeeren leider unpassierbar.
    Kurz vor Reichertsried sind alle (womöglich vorhandenen) Wege weggepflügt (0004.62 und 0004.63). Es ist nicht bekannt, wie dort evtl. Wege verlaufen sind.
Segmenteliste des Rennwegs (als möglichen Bestandteil des Brandenberger Mühlenweges). Quelle: Google-Maps (Kartendaten 2019 GeoBasis-DE/BKG, GeoContent, Maxar Technologies))
  • Die Südroute (grün): Verlief anfangs ein paar Meter südlich der heute existierenden Straße (was durch Hohlwege heute noch gut erkennbar ist bei Segment 0001.22_S).
    Östlich der Hundschule hätte der Weg einen Moränenzug südlich umrunden müssen (Segment 0001.18_S). Man kann ehemalige Wege im Relief erahnen. Diesen Teil haben wir aber noch nicht vor Ort untersucht.
    Kurz vor Reichertsried sind alle (womöglich vorhandenen) Wege weggepflügt (Segment 0001.14_S). Es ist nicht bekannt, wie dort evtl. Wege verlaufen sind.
Segmenteliste der Südroute des Brandenberger Mühlwegs. Quelle: Google-Maps (Kartendaten 2019 GeoBasis-DE/BKG, GeoContent, Maxar Technologies))

Der Roßkasten

In den alten Karten ist ein “Roßkasten” eingetragen. Wir wissen nicht, was mit diesem Begriff gemeint sein konnte. Offensichtlich unterbricht der Roßkasten ältere Wege, wie den Rennweg. In der Uraufnahme führen alle Wege um mden Roßkasten herum. Der Roßkasten ist eine vermutlich natürliche Senke in bemerkenswert rechteckiger Ausformung. Er ist etwa 550 m in Nord-Süd-Ausdehnung und etwa 140 m breit.

Begrenzung des Roßkasten

An der Westseite des Roßkasten sind alte Grenzsteine aufgereiht, die beschriftet sind mit “KW 261”, “KW 262” etc. Das steht angeblich für “Königlicher Wald” [Hat jemand eine valide Quelle für diese Behauptung?][Weiß jemand wann diese Grenzsteine gesetzt wurden? Natürlich erst nach 1806 – vorher gab es ja keinen König.]. (In der Uraufnahme findet man Nummern eingetragen an der westlichen Roßkastenseite (“N 82”, “N 83” etc.) – aber lange nicht so dicht, wie die von uns gefundenen Grenzsteine. Vielleicht waren das ältere Grenzsteine, ehe “unsere” Grenzsteine gesetzt wurden.)

Grenzstein KW 261 am Roßkasten zwischen Brandenberg und Reichertsried
Grenzstein KW 261 am Roßkasten zwischen Brandenberg und Reichertsried

Rund um den Roßkasten wurde weitausladend in der Uraufnahme \”Der schöne königlich Wald\” geschrieben. Ob das nun bedeutet, daß der Roßkasten nicht zum Königlichen Wald zählte, ist unklar.

Entlang der Grenzsteinreihe verläuft ein schmaler Graben – zu schmal, um als Hohlweg durchzugehen. Wir interpretieren ihn als Grenzgraben (wobei offenbleiben muß, welchen Zweck so ein Graben haben soll).

Deutung des Roßkastens

Es findet sich im Internet nur eine Erwähnung des Wortes “Roßkasten” (bei

Johann Karl Gottfried Jacobsson: “Schauplatz der Zeugmanufacturen in Deutschland”

wo ein Arbeitsplatz in einer Tuchmacherei beschrieben wird – man sitzt dort wie auf einem Pferd auf einem Kasten. Das dürfte keine Erklärung liefern für unsen Roßkasten.

Das Wort “Kasten”

Im Lexikon

Heidenreuter et. al.: „Vom Abbrändler zum Zentgraf“; Volk-Verlag, München, 2009

werden diese Bedeutung geliefert für das Wort “Kasten”:

  • Gebäude zur Aufbewahrung von Getreide bzw. der Naturalabgaben (siehe Traidkasten)
    Das ist eher abwegig, da wir keine Spur eines Gebäudes entdecken konnten. Mit dem Roßkasten wird hier ja auch ein fast 8 Hektar großes Areal bezeichnet.
  • Speicher, Dachboden
    Auch hier: Kein Gebäude erkennbar.
  • Schrank, Behältnis (hat ganz offensichtlich nichts mit unserem Roßkasten zu tun)
  • Brunnenbehälter, Brunnenkasten
    Wäre die Senke feucht und morastig, dann könnte man sie übertragen als “Roßtränke” oder “Röstgrube” (siehe weiter unten) bezeichnen.
    Oder war es tatsächlich eine Roßtränke? Wenn die ungarischen Rinder bis nach Augsburg getrieben wurden – gab es vielleicht auch Pferde-Triebe? Hatten die dann Zwischenstationen mit Tränken?
    Allerdings waren die Wege zum Roßkasten morastiger, als der Roßkasten selbst. Dort wirkte der Untergrund eher trocken.
  • Kastenamt – also Finanzamt.
    Bauern mußten als Teil der Steuer Naturalabgaben leisten – womöglich auch Pferde. Hat das Herzogtum Bayern dort also ein Gatter betrieben, um eingezogene Pferde einzupferchen bis zum Weitertransport?
    Allerdings würde man dann doch einen Bach in der Nähe vermuten. Der fehlt.
    Und auch in diesem Fall wäre ein Gebäuderest für Pferdehüter, Futterscheunen etc. hilfreich.

Das Fosthaus Kasten (bei Neuried) leitet den Namen vom “naheliegenden Römerkastell” her – womit die halbwegs nahe liegende latènezeitliche Viereckschanze bei Buchendorf gemeint sein könnte. Tatsächlich läuft auch die Römerstraße nach Gauting dort vorbei und vielleicht gab es tatsächlich dort ein “Castell“.
Aber: Zumindest in der Bodendenkmalskarte gibt es zwar (genau wie beim Forsthaus Kasten) eine Fülle von Hügelgräbern in der Nähe – aber die nächste bekannte Villa Rustica ist erst nordwestlich von Türkenfeld. Ein Castell ist weit und breit nicht auszumachen.

Das Wort “Roß”

Die Vermesser waren Auswärtige und haben die ortsüblichen Bezeichnungen nicht immer richtig verstanden. Geht es also wirklich um Pferde? Im Lexikon

Heidenreuter et. al.: „Vom Abbrändler zum Zentgraf“; Volk-Verlag, München, 2009

finden wir:

  • „Röstgruben“. Das waren Gewässer oder feuchte Wiesen, in die Flachs gelegt wird, um ihn zu „rösten“, d. h. um die Faserschicht durch Fäulnis vom Holzkern und der Rinde zu lösen.
    Wenn wir uns den modernen Wald einmal wegdenken, dann haben wir ein eher trockenes Gebiet evtl. mit Flachsanbau – immerhin heißt der weiter südlich anschließende Landstrich „Blaues Land“ wegen des verbreiteten Flachsanbaus. Eine natürliche Senke könnte dann für die Flachsvorverarbeitung genutzt worden sein.
    Leider war dieser „Röstkasten“ schon immer unpraktisch weit weg von den Bauernhäusern, in denen der Flachs dann gehechelt und gesponnen wurde. Und sonderlich feucht ist er zumindest heute auch nicht.

Die Mühle

Wir haben nur zwei Indizien, die auf eine Mühle in Brandenberg hinweisen: Der Wegname “Brandenberger Mühlweg” in alten Karten und die Behauptung eines Brandenbergers, es habe dort eine Sägemühle gegeben. Es gibt aber auch viele Zweifel an dieser Sichtweise.

Für eine Brandenberger Mühle spricht:

  • Die Aussage des Ortsansässigen.
  • Die Aussage des Ortsansässigen, daß es eine Quelle mit hohem Druck gebe. Die könnte einen Mühlteich befüllt haben. Aber wohin hätte das Wasser wegfließen sollen nach dem Mühlrad?
  • Die Aussage des Ortsansässigen, es habe in den letzten Jahrzehnten eine Grabung auf dem Gebiet der Mühle gegeben – wovon wir aber keine Zeugnisse gefunden haben.
  • Südlich von Brandenberg führt ein Weg von Pleitmanswang über das “Schneider-Bergl”, was ein Hinweis auf einen Schneidmüller sein könnte (also einem Sägewerksbesitzer).

Gegen die Brandenberger Mühle spricht:

  • Das Gelände eignet sich nicht.
    Der Geograph Wolfgang und der Geologe Klaus sind sich nach Inaugenscheinnahme des Geländes sicher: Da gab es nie ein Bach.
  • Der Verweis des Ortsansässigen auf die Familie Widmann erwieß sich als Falschinformation: Diese Familie besaß nie eine Mühle in Brandenberg. Herr Widmann (laut Herrn Aumüller) glaubt auch nicht an eine Mühle dort.
  • Laut Wolfgang Kleinknecht wurden Mühlwege öfter nach dem Ort benannt, von dem das Getreide zur Mühle kam. (Angeblich gab es in Bruck auch einen Pucher Mühlweg – den man in der Uraufnahme aber nicht findet.)

Der Mühlenzwang und alternative Mühlen

Es gab offenbar einen Mühlenzwang: Der Grundherr konnte die zu nutzende Mühle festlegen. Der Grundherr aller Höfe in Brandenberg war das Kloster Wessobrunn. Es besaß zumindest dieses Mühlen laut dieser Quelle

[Andrian-Werburg] Das Bistum Augsburg / im Auftr. des Max-Planck-Instituts für Geschichte. Bearb. von Irmtraut Freifrau von Andrian-Werburg. -Berlin ; New York: de Gruyter (Germania sacra ; N. E, 39 : Die Bistümer der Kirchenprovinz Mainz) 2. Die Benediktinerabtei Wessobrunn. – 2001

Einige dieser Mühlen gab es womöglich nicht mehr, als der Brandenberger Mühlweg bestand hatte.

  • Kloster Wessobrunn: Die Klostermühle (7 Stunden zu Fuß entfernt)
  • Albertshofen (Moorenweis): Die Mittermühle ( 1 Stunde zu Fuß entfernt)
    In der Uraufnahme keine Mühle eingezeichnet
    In www.genealogie-kiening.de kein passender Hofname.
  • Oberndorf (Heimhausen bei Dachau) (9,5 Stunden zu Fuß entfernt)
  • Finning: (3,5 Stunden entfernt)
  • Geretshausen (Weil): Die Rumpfmühle (3 Stunden zu Fuß entfernt)
    1940 hat ein Geretshausener Mühlenbesitzer Ferdinand Hafner eine Dame aus Egling geheiratet – da gab es die Mühle noch unter dem Namen Hafner-Mühle.
    Es gibt auch einen Weiler Aumühle gleich nördlich.
  • Apfeldorf / Hauser Berg: Grubmühle (7,5 Stunden zu Fuß entfernt)
  • Hagenheim (Hofstetten): Moosmühle (5 Stunden zu Fuß entfernt)
  • Heinrichshofen (Egling an der Paar): (2,5 Stunden) zu Fuß entfernt)
    Laut [Andrian-Werburg] gehörte Wessobrunn 1397 dort … Mühlen … (KL W 3 b BI. 12v). Und der Besitz soll sich gehalten haben zur Säkularisation (Kurbayern HK HABH 410 BI. 19r-24r). Das steht im Kontrast zu den Daten von www.genealogie-kiening.de
    In der Uraufnahme bei Haus #24 eine Mühle mit einem Mühlrad eingezeichnet. Das ist der Hofname Braunmühle/Obermühle, heute Mühlstraße 8 (wo noch immer ein Mühlgebäude steht). Laut www.genealogie-kiening.de war der Grundherr 1760 die Hofmark Schmiechen.
    In der Uraufnahme bei Haus #36 eine Mühle mit einem Mühlrad eingezeichnet
    Das ist der Hofname Untermühle, heute Paarstraße 13 (wo noch immer ein Mühlgebäude steht). Laut www.genealogie-kiening.de war der Grundherr 1760 die Hofmark Schmiechen. Es gibt aber einen Vermerk von 1648: \”Mühlwerk, Behausung u. Stadel alles ruiniert laut Fugger-Steuerbeschreibung Hofmark Schmiechen\”
  • Klaft (Peiting): (8 Stunden zu Fuß entfernt)
  • Kleinberghofen (Erdweg): (8 Stunden zu Fuß entfernt)
  • Langwied (Moorenweis): (1,25 Stunden zu Fuß entfernt) ab 1620
    1620 erwarb laut [Andrian-Werburg] Wessobrunn zusätzlich eine Mühle mit Zubehör für 1000 Gulden (KL W 12/5 S. 492), die ebenfalls bis ins 18. Jahrhundert hinein in seinem Besitz blieb (Grundbuch von 1743: KL W 12/6 II BI. 216r-217r, Archivverzeichnis von 1781: KL W 28/14).
    (“KL W” steht für “Klosterliteralien Wessobrunn”)
    In der Uraufnahme ist südlich von Langwied ein Haus direkt an der Maisach eingezeichnet mit “irgendetwas” in der Maisach (nicht unbedingt das vorgesehene Mühlradsymbol)
    Die Webseite www.genealogie-kiening.de nennt beim Hausnamen \”Müller\” nach 1760 das Kloster Weihenstephan als Grundherrn.
  • Obermenzing (München) (6,5 Stunden zu Fuß entfernt)
  • Gut Moosmühle (Wessobrunn): (7,5 Stunden zu Fuß entfernt)
  • Obermühlhausen (Dießen): (5 Stunden zu Fuß entfernt)
  • Petzenhausen (Weil): (3 Stunden zu Fuß entfernt)
  • Pitzling (Landsberg): (5,5 Stunden zu Fuß entfernt)
  • Schongau: (10 Stunden zu Fuß entfernt)
  • Wabern (Geltendorf): (2,5 Stunden zu Fuß entfernt)
  • Windach (Moorenweis): (1,75 Stunden zu Fuß entfernt)
    [Andrian-Werburg] gibt an, daß die Mühle 1512 noch in Wessobrunner Besitz war (KL W 3c BI. 23v-24r). 1743 gehörten Wessobrunn 3 Höfe (ob mit oder ohne Mühle ist unbekannt).
    In der Uraufnahme ist bei Haus #1 keine Mühle eingezeichnet
    Es gibt einen Hausnamen “Müller” laut www.genealogie-kiening.de – der Grundherr war nach 1760 noch Wessobrunn. 1648 besaß ein Müller namens Kracher den Hof.
  • Zellsee/Weghaus (Weilheim in Oberbayern): (7,5 Stunden zu Fuß entfernt)

Es gab also reichlich eigene Mühlen im Besitz des Klosters Wessobrunn. Langwied, Windach, Heinrichshofen (und ggf. Wabern, über das wenig zu erfahren ist) waren geeignete Kandidaten. Warum sollten die Brandenberger Bauern dann also 2 Stunden lang nach Schöngeising kutschieren?

Verfiel der Brandenberger Mühlweg nach Schöngeisingn also ab 1620, weil Wessobrunn dann eine geeignete eigene Mühle in Langwied erwarb? Aber davor hätte es auch schon Windach und Heinrichshofen als – für das Kloster Wessobrunn und seine Brandenberger Bauern – geeignetere Mühlen gegeben.

Sonstige Erkenntnisse

  • Auf den Uraufnahmeblättern sieht man (zumindest bei großer Vergrößerung) etliche Wege, die nur dünn mit Bleistift eingezeichnet wurden.
  • Offline-Karten schlagen Online-Karten im Wald. Man hat halt nicht immer Empfang.
  • Es gibt offenbar tatsächlich Grenzgräben – die aber nie Wege waren. Jedenfalls wären die Gräben um den Roßkasten viel zu schmal für Karren.
  • Es gibt nur begrenzt viele Gründe einen überörtlichen Weg anzulegen und instand zu halten: Getreide mahlen, Handeln (Salz, Märkte), Kommunizieren (Boten auf Rennwegen), Pilgern.
    Daher kann es wirklich lohnend sein, alle Mühlen auf einer Karte zu erfassen.

1 Kommentar zu „Exkursion Brandenberger Mühlweg am 15.09.19“

  1. Pingback: Brandenberg in der Flurkartenanalyse – Altwege im Landkreis Fürstenfeldbruck

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