Die Sagensammlerin Gisela Schinzel-Penth

von Ulrich Bähr

Zusammenfassung

Gisela Schinzel-Penth ist eine der wichtigsten Sammlerinnen von Sagen in Südbaiern.

Ein sagenhafter Lebenslauf

Lebenslauf

Am 20.11.1946 kam Gisela Penth in München zur Welt. Ihre Mutter war Schulsekretärin, die gerne als Lehrerin gearbeitet hätte – aber dazu hätte sie damals ledig bleiben müssen. Da zog sie es doch vor zu heiraten: Einen Berufssoldaten, der im Fliegerhorst Fürstenfeldbruck stationiert war und später als Finanzbeamter Bausparverträge bearbeitete. Die Eltern waren also keine Akademiker, aber durchaus geschichts­interessiert.

Im Nachkriegs-München ging Gisela Penth dann in Obermenzing in der Grandlschule in die Grundschule. Später wechselte sie auf das Elsa-Brändström-Gymnasium in Pasing. Damals hieß es aber noch Realgymnasium für Mädchen. Später ging sie auf die Fachoberschule.

Ihre Eltern machten immer wieder Ausflüge in die Umgebung. Oft auch in den Landkreis Fürstenfeldbruck, dem früheren Einsatzort ihres Vaters.

Anschließend studierte sie auf Lehramt: Handarbeit und Hauswirtschaft. Eine Leidenschaft war das nicht – mit diesen Fächern war das Studium einfach am kürzesten und mittlerweile hatte sie schon ihren Mann kennengelernt, der als Architekt und Photograph arbeitete.

Nach nur wenigen Jahren gab sie das Unterrichten auf und setzte voll auf ihre neue Karriere als Autorin.

Kinder

Ihre beiden Töchter haben Tourismus und Psychologie studiert. Die Psychologin arbeitet als Professorin in Hamburg.

Beide Kinder haben sich von der Mutter anstecken lassen und Bücher geschrieben. Cordula Weidenbach hat bereits eine ganze Reihe mit Kindersprüchen herausgebracht.

Begeisterung entfacht

Wie so oft, wird der Keim für eine spätere Begeisterung schon früh entfacht.

Eine Tante hat ihr als Kind bei Besuchen schon viele Sagen erzählt. Eine Grundschullehrerin erzählte der kleinen Gisela und ihren Mitschülern die Geschichte, daß es auf einem Feld bei der nahen Blutenburg spuke.

Später auf dem Gymnasium traf sie auf ihre Lieblingslehrerin in Latein und Geschichte, die sich sehr für Sagen interessierte. Als die griechischen Sagen dran waren, bekam sie die wirklich innovative Hausaufgabe, eine Sage aus der eigenen Umgebung aufzuschreiben. Da fiel ihr die alte Blutenburger Geschichte ein. Die damals 17jährige radelte los und wollte mehr über diese Sage erfahren. Die alte Grundschullehrerin war bereits in Rente. In der Gegend kannte niemand diese Sage. Mit Hilfe einer anderen Grundschullehrerin konnte die ursprüngliche Sagenerzählerin ausfindig gemacht werden und die Sage konnte dokumentiert werden. (Es ging um eine illegale Grundsteinversetzung.)

Da wurde der jungen Gisela Penth bewußt, daß solche Geschichten einfach verloren gehen, wenn sie niemand festhält. Dieses Thema hat sie seitdem nicht mehr losgelassen. Dabei hat ihre Mutter ihr Interesse unterstützt und gefördert.

Manche Lehrer empfinden heute eine Frustration über ihren Beruf. Aber dieses Beispiel zeigt deutlich: Immer wieder bewirken sie Großartiges bei ihren Schülern. Hilfreich ist wohl, wenn es um lebensnahe Themen aus der näheren Umgebung geht.

Die Arbeit als Sagen­sammlerin

Anfangs im nahen Umkreis

Mit 17 Jahren begann Gisela Penth mit dem Sammeln von Sagen. Sie befragte Pfarrer und Bauern, ob sie alte Geschichten wüßten. Ohne Angst vor Datenschutzfolgen wurde sie dabei oft weiterverwiesen auf ältere Mitbürger, die solche Sagen noch kannten.

Da sie anfangs nur mit den Radl unterwegs war, beschränkte sich ihr Wirkungskreis auf das Umfeld von Obermenzing und das Würmtal.

Mit dem Auto zu entfernten Sagen

Als Lehrerin hatte Sie dann schon ein Auto. Zusammen mit ihrem Mann erkundete sie das 5-Seen-Land und sammelte dort eifrig Geschichten. Auch im Urlaub nutzte sie jede Gelegenheit Sagen zu hören.

Die Zeitungen (Würmtalbote und Süddeutsche Zeitung) druckten ihre Sagen gerne ab. Im Gegenzug durfte sie in deren Archiven forschen. Denn tatsächlich haben Zeitungen schon im 19. Jahrhundert Sagen gedruckt.

Mittlerweile hatte Gisela Schinzel-Penth zwei Kinder. Zum Glück konnte sich deren Großmutter vormittags um sie kümmern, während die Mutter auf Recherchetouren unterwegs war. Auch ihr Mann unterstützte sie bei ihrer Arbeit.

Reden und zuhören

Es ist wohl kaum zu zählen, mit wie vielen Menschen in Bayern Gisela Schinzel-Penth in den letzten 60 Jahren ihrer Arbeit mittlerweile gesprochen hat. Oft ist sie in ein Dorf gefahren und hat erst einmal den Pfarrer und den Bürgermeister angesteuert, um zu erfahren, wer wohl alte Geschichten kennt.

Dabei kamen auch andere volkskundliche Erkenntnisse zu Tage. Eine Bäuerin hatte z. B. noch 200 Jahre alte Trachten im Schrank und so konnte eine Trachtenausstellung in Traunwalchen zusammengetragen werden.

Bücher schreiben

Schließlich entstand ihr erstes Buch: Das versunkene Schloß – Sagen und Legenden aus dem Würmtal (1974, Hornung Verlag Viktor Lang, München). Ihr Mann Heinz lieferte – wie bei allen anderen Büchern – Federzeichnungen zu. Das nächste Buch über Münchner Sagen brauchte länger, da es ja ein viel größeres Gebiet abdeckte. Dafür wurde es dann geradezu zum Standardwerk für Münchner Sagen.

Bis 2010 verlegte der Ambro-Lacus-Verlag ihre Bücher. Als der Verleger starb und die Erben nicht weitermachen wollten, kaufte sie die Restauflage auf. Seitdem führt sie den Verlag selbst weiter.

Überprüfen

Frau Schinzel-Penth ist überzeugt, daß viele Sagen tatsächliche Ereignisse überliefern. Besonders die Erdställe faszinieren sie. (Wer mehr dazu erfahren will: Es gibt einen Arbeitskreis, eine Interessensgemeinschaft und ein Kataster.) In vielen Sagen ist die Rede von unterirdischen Gängen. Frau Schinzel-Penth hat immer wieder versucht, diese dann auch zu finden. In Einigen ist sie auch herumgekrochen.

Eine Sage berichtet von einem Gang von 83737 Reichersdorf (Irschenberg) zum Seehamer See, was eine unglaubliche Länge wäre. Der Gang bei Reichersdorf wurde gefunden und kann unter der Allerheiligenkapelle im Ort (auf einer alten keltischen Kultstätte nach der Christianisierung errichtet) betreten werden. Beim Bauernhof neben der Kapelle kann man den Schlüssel für den Eingang holen. Diese Gänge sind sehr verzweigt und sollen einerseits bis Weyarn in das dortige alte Klostergebäude führeren, andererseits bis zum Burgstall beim Seehamer See. Sie sind in ihrem Buch „Sagen und Legenden von Miesbach und Holzkirchen“ näher beschrieben.

Sagen kommen hinzu

Immer wieder melden sich Leser und wundern sich, warum Sagen fehlen, die sie doch kennen. Frau Schinzel-Penth notiert diese Sagen natürlich und fügt sie in Neuauflagen ein. Jede neue Auflage ist dicker, wie ihr Vorgänger. Es lohnt also tatsächlich immer die neueste Auflage zu erwerben.

Sagen

Kategorien

Frau Schinzel-Penth kann die Sagen in Gruppen einteilen:

  • Spuksagen
  • Anekdoten zu geschichtlichen Persönlichkeiten
  • geschichtliche Sagen zu bestimmten Ereignissen
  • märchenhafte Sagen (ohne wahren Kern, z. B. über das Aussehen eines Berges)

Abbildung Das Buch “Gisela Schinzel-Penth: Sagen und Legenden um Fürstenfeldbruck und Germering” in einem unbeobachteten Moment.

Motive

Einige Motive kommen immer wieder vor in vielen Sagen. Daher ähneln sich die Sagen unterschiedlicher Regionen auch stark: Der Pudel mit den leuchtenden Augen, die Drei Frauen, Schatzkisten, Grenzsteinversetzer, Sühnekreuze, verärgerte Teufel, Geistermessen etc.

Teilweise sind das sehr alte tradierte Legenden, die manchmal womöglich noch auf keltische Glaubensvorstellungen zurückgehen. Sie werden dann zwar als Sage zu konkreten Orten erzählt, meinen aber ganz grundsätzliche Motive.

Manche Motive haben die Menschen einfach immer wieder in Aufregung versetzt. Gierige Bauern haben eben in ganz Bayern regelmäßig nachts Grenzsteine versetzt. Das konnte man ihnen nur sehr schlecht nachweisen und so dichtete man ihnen wenigsten die schlimmsten Qualen im Jenseits an. Dann sollte der böse Nachbar eben nach seinem Tod den Grenzstein bis in alle Ewigkeit nachts auf dem Buckel tragen und fürchterlich leiden. (Man könnte das schon als „Verfluchungssage“ bezeichnen.)

Bis zur Einführung der Landfriedensgesetze wurde auch Mord oft nur mit einem hohen Bußgeld und weiteren Auflagen geahndet (oder mit Blutrache …). Eine der Auflagen war oft das Setzen eines Steinkreuzes an der Stelle des Mordes. Diese Steinkreuze standen daher teilweise an sehr unpraktischen Stellen. Trotzdem durften sie nie versetzt werden – allenfalls an der selben Stelle tief im Boden vergraben werden. Noch bis Mitte des 20. Jahrhunderts wagte kaum jemand eine Sühnekreuzversetzung. Da man von der ursprünglichen Gewalttat selten noch die Details wußte, boten die vielen Sühnekreuze im Land natürlich viel Stoff für detailreiche Sagen.

Statistisch ausgewertet hat Frau Schinzel-Penth „ihre“ vielen Sagen aber nicht (nach Motiven, regionalen Häufungen etc.). Aber in den ab 2003 erschienenen Büchern und Neuauflagen bringt sie in Anmerkungen Vergleiche und Bezüge zu ähnlichen Sagen an anderen Orten und – wo möglich – Erklärungen dazu. Ebenso erklärt sie unbekannte Begriffe, wie Bezoarstein, Beißwurm, Gamskugel usw.

Wahrer Kern

„Sagen sind die Geschichte der kleinen Leute“.

Mittelalterliche Bauern haben keine Bücher geschrieben. Wenn etwas berichtenswert war, haben sie es in Geschichten verpackt erzählt. Und so wurden die Geschichten über die Generationen weitererzählt und wohl auch immer wieder etwas verändert. Ein Kern blieb aber oft erhalten.

Wenn also im 30jährigen Krieg ein reicher Bauer und seine ganze Familie ermordet wurde, dann waren sich die Nachbarn sicher, daß er vorher sein Vermögen in einem Topf auf einem seiner Äcker vergraben hat. Das haben schließlich alle gemacht. Also mußte es auf seinem ehemaligen Grund noch diesen Topf geben. Da sollten die Kinder und Enkel die Augen offen halten – vielleicht werden sie ja durch einen Fund reich! Also hat man diese Geschichte immer weiter erzählt.

Etliche Sagen im Chiemgau, Rupertiwinkel, Tälzer Land und Isarwinkel erzählen von Donnerlöchern (plötzliche Erdfälle, etwa bei Gaißach bei Tölz oder beim Kienberg im Chiemgau, wo berichtet wird, dass in ihnen Kleinvieh, aber auch Kühe und sogar Menschen buchstäblich vom dem plötzlich im Boden entstandenen Loch verschlungen worden seien) und anderen Sternereignissen. Tatsächlich wurde in der Kirche von 82547 Unterherrnhausen (Eurasburg) bei Sanierungsarbeiten Meteoritgestein entdeckt. Man geht heute von einem Meteoriteneinschlag im Chiemgau vor 2.500 Jahren aus, der den Tüttensee verursacht hat.

Heute rufen Sondengänger bei Frau Schinzel-Penth an, um die Koordinaten der Orte zu erfahren, an denen eine Sage spielt. Da kann die Sagensammlerin natürlich nicht weiterhelfen.

Bedeutung für uns

„Die Gegend, in der man lebt, soll einem Heimat sein. Da helfen solche Geschichten.“

Egal, ob die Vorfahren schon seit Generationen im gleichen Dorf leben oder ob man erst kürzlich zugezogen ist: Man sollte einen Bezug haben zu seiner Region. Und wenn man weiß, daß es auf einem Acker spukt oder auf einem Hügel ein Schloß mit drei geheimnisvollen Frauen war, dann verbindet uns das mit diesen Flecken. Man muß die Geschichten deshalb nicht glauben. Sie zu kennen reicht schon.

Frau Schinzel-Penth freut sich daher sehr, wenn Gemeinden Schilder aufstellen, die die Sage zu einem Ort erzählen.

Und natürlich ist es spannend den wahren Kern von Sagen aufzudecken.

Abbildung Schild beim “Teufelsstein” mit der Sage “Der betrogene Teufel bei Grafrath” zwischen Unteralting und Inning aufgehängt von „Heimatgeschichte Inning“. [Photo: Ulrich Bähr, 15.08.23]

Das Werk

Sagen

Die Gesamtauflage all ihrer Bücher beträgt mittlerweile bereits 120.000 Exemplare. Aus 9 Regionen liegen Sagensammlungen von Gisela Schinzel-Penth vor:

Sagen und Legenden

Aktuelle Auflage

um Tölzer Land und Isarwinkel

4. von 2022

um das Berchtesgadener Land

7. von 2018

um Fünfseenland und Wolfratshausen

3. von 2017

um Miesbach und Holzkirchen

2. von 2010

um Tölzer Land und Isarwinkel

4. von 2022

um Chiemgau und Rupertiwinkel

5. von 2016

von München

6. von 2017

um Fürstenfeldbruck und Germerin

2. von 2001

um das Werdenfelser Land und Pfaffenwinkel

3. von 2021

von Bischofsmais und Umgebung

1. von 1989

Das versunkene Schloß. Die schönsten Sagen aus dem Würmtal vom Starnberger See bis Dachau

1. von 1974

Weitere Bücher

Daneben hat sie weitere Bücher geschrieben. Darunter

  • Magdalena Gregorius-Penth – Leben und Werk einer saarländischen Malerin
  • Zwerge, Wichtel und Gnome: Sagen aus dem deutschsprachigen Raum – Süden
  • Zwerge, Wichtel und Gnome: Sagen aus dem deutschsprachigen Raum – Mitte und Norden
  • Was geschah damals wirklich? Vergleich der Visionen von Anna Katharina Emmerich und von Therese Neumann mit neuen wissenschaftlichen Forschungsergebnissen
  • Das Rätsel der verwunschenen Burg
  • Hexeneiche, Schwedenlärchen, Tassilolinde: Sagen, Geschichten und Legenden um berühmte Bäume in Altbayern
  • Die Blaue Kugel – Märchen
  • Das Kinderbuch „Purzel und Schnorkel“
  • Mehrere Taschenbücher beim ht-Verlag München über Kinderfeste oder Handarbeitstechniken
  • Kataloge „Kircha- und Werktagsg’wand“ und „Haube und Hut“ zu den Trachtenausstellungen in Schloß Pertenstein bei Traunwalchen und in Tittmonig, sowie in Germering usw.
Radio

Mittlerweile hat Frau Schinzel-Penth mehr als 90 Radiobeiträge geschrieben für mehrere deutsche Rundfunkanstalten, hauptsächlich aber für den BR.

Kontakt

Sie erreichen Gisela Schinzel-Penth über

ihre Homepage: http://www.schinzel-penth.de/

per E-Mail: gschinzelpenth@gmx.de

Der Verlag ist erreichbar unter www.ambrolacus-verlag.de

Auf Wikipedia findet man sie unter https://de.wikipedia.org/wiki/Gisela_Schinzel-Penth

Frau Schinzel-Penth freut sich immer über Sagen, die noch fehlen in ihrer Sammlung.

Abbildung Gisela Schinzel-Penth [Privatphoto von Frau Schinzel-Penth. Bildrechte bei ihr.]

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Cookie Consent mit Real Cookie Banner