Chausseen – die ersten haltbaren Fernstraßen

Ein bemerkenswert detaillreicher Artikel

Andrea Heinzeller: Der Ausbau der Fernstraße zwischen Partenkirchen und Mittenwald zu einer Chaussee; in: Hans-Dirk Joosten, Christoph Kürzeder (Hsg.): Via Claudia – Stationen einer Straße; Schriften des Freilichtmuseums des Bezirks Oberbayern in der Glentleiten, Nr. 24, Großweil, 2000

beschreibt den Ausbau der schlammigen Pisten Bayerns zu befestigten Straßen. Davor ging bei Dauerregen manchmal gar nichts weiter. Und wenn doch, dann fielen Kutschen und Fuhrwerke immer wieder um, wenn sie in Fahrrinnen oder gegen Steine stießen. Die Crux war, daß die Nutznießer guter Straßen nicht die Bauern waren, die für den Unterhalt sorgen sollten. Also machten sie immer nur das Nötigste und auch das nur auf Druck von oben.

Die Anfänge guten Straßenbaus

Die Original-Chaussee nach Trésaguet

Pierre-Marie-Jérôme Trésaguet (1716 – 1796) hat die Technik des Baus von „Kunststraßen“ entwickelt, mit der man ab 1764 endlich auch bei Regen mit einem Fuhrwerk gut fahren konnte:

  • Eine Packlage aus 15 – 20 cm hohen, pyramidenförmig zugehauenen Großsteinen, in deren Zwischenräume kleinere Steine mit Hämmern eingeschlagen (\’verzwickt\’) wurden, damit sie fest saßen.
  • Darauf kam eine 9 cm starke Schicht mittelgroßer Steine.
  • Obenauf eine 9 cm starke Schicht aus aus nußgroßen, sehr harten Steinen.
Sammlung ViaStoria; Quelle: Artur Speck, Der Kunsstraßenbau, Berlin 1950, S. 22

Die Straße war dachförmig gewölbt, damit das Wassser abfloß in seitliche Gräben. Diese Technik verbreitete sich spätestens mit den Ingenieuren in Napoleons Gefolge in Europa.

Die geeignetere Chaussee nach Mac-Adam setzt sich in Bayern nicht durch

In weiten Teilen Bayerns (und ganz besonders im Landkreis Fürstenfeldbruck) fehlen die geeigneten harten Steine für die Trésaguet-Chaussee. Wenn man Steine findet, sind es meist bröselige Kalksteine.

Für solche Fälle hat der Schotte John Loudon McAdam (1756 – 1836) im Jahr 1815 den nach ihm benannten Macadam-Belag entwickelt:

  • Zunterst kommt eine 20 cm dicke Lage aus Steinen kleiner als 7,5 Zentimetern.
  • Darauf eine 5 cm dicke Schicht von maximal 2-cm-Steinen.

Die Lagen werden jeweils einzeln mit einer schweren Walze und unter Zugabe von Wasser verdichtet. Eine Macadam-Straße ist nur ganz leicht gewölbt, was aber genügt, um das Wasser in die parallel daneben laufenden Gräben abzuleiten.

Man benötigt also deutlich weniger Steine und Split und vor allem keine dicke Lage aus harten Steinen und erhält trotzdem eine dauerhafte, regenfeste Straße. Bayern hat dies Anfang des 19. Jahrhunderts auch versucht, was aber gescheitert ist. [Hartung, S. 40] vermutet, daß bei diesen Versuchen aus Geldmangel das falsche Material eingesetzt wurde.

Straßenunterhalt

Praktisch alle zeitgenössische Literatur zum Straßenbau beschäftigt sich gleichzeitig mit dem Straßenunterhalt. Mehrmals im Jahr (!) mußte die Straße neu beschottert werden mit runden Kieseln, damit sich die Zugtiere nicht verletzten [Heinzeller].

Zumindest in Werdenfalls verlangte die Grafschaft eine Maut für den Straßenunterhalt. Die war aber zu gering [Heinzeller]. [Wie das in FFB war, ist noch zu klären.]

Im 18. Jahrhundert diletantischer Straßenbau

Kurfürst Max III . Josef von Bayern (1745 – 1777) begann mit dem Straßenbau in Bayern [Hartung S. 11]. Laut

Gottfried Hartung: Die bayerischen Landstraßen – ihre Entwicklung im XIXC. Jahrhundert und ihre Zukunft. A. Deichert-Verlag, Leipzig, 1902.

war die einzige Vorgabe eine Straßenbreite von 7,64 m. Somit war die Qualität der entstandenen Straßen gering. Im Prinzip schachtete man Gräben neben der Straße aus und schaufelte das entnommene Material auf die Fahrbahn, um sie zu erhöhen [S. 17]. [Sofern man in den Gräben auf Kies stieß, ist das exakt das Vorgehen der Römer in unserem Landkreis.] Die Trassen legte man ohne Rücksicht auf die Steigung schnurgerade in die Landschaft – so daß die Ochsen teilweise 20 % Steigung hochstampfen mußten. So erhielt Altbayern im Vergleich zu den anderen bayerischen Provinzen ein dichteres Straßennetz – aus schlechten Straßen.

Gleichzeitig war Bayern damals noch so arm, daß nicht einmal genug Kies gekauft werden konnte, um die Straßen notdürftig zu reparieren. Zudem hatten die Kutschen da meist noch sehr schmale Radreifen, was die dünne Kiesschicht auf den Straßen zusätzlich beanspruchte [Hartung S. 36].

Der Staat erkennt sein Eigeninteresse an guten Straßen

1808 begann Bayern eine eigene Post an Stelle der alten Taxis-Post aufzubauen. Das steigerte das Interesse des Staates an guten überregionalen Straßen [Hartung S. 21].

Hartung erwähnt, daß die linksrheinische Rheinpfalz die besten Straßen erhielt, da sie während der französischen Herrschaft (1798 bis 1814) von ausgewiesenen Straßenbauingenieuren gebaut wurden. Als dieses Gebiet 1816 zu Bayern kam, spornte das den Straßenbau im restlichen Bayern an [S. 19].

1828 führte der Staat Eilpostwägen ein auf den wichtigsten Staatsstraßen, die dazu natürlich gut in Schuß sein mußten.

Im 19. Jahrhundert beläßt es der Staat zunehmend nicht mehr bei Anordnungen und wird langsam selbst aktiv im Straßenbau

Die Straßenbaurechnung als schwarzer Peter während die Straßen verfallen

Die Straßen wurden ab dem Ende des 18. Jahrhunderts nicht mehr als Eigentum des Königs gesehen, das die leibeigenen Bauern gefälligst zu erhalten hätten. Zunehmend wurden funktionierende Straßen als Staatsaufgabe für das Gemeinwohl gesehen und die Dienstpflicht der Bauern konsequenterweise abgelöst durch bezahlte Aufträge.

Der unterfränkische Oberbaurat von Pechmann erstellte Instruktionen für den Straßenbau. 1805 wurde im Finanzministerium ein \”Geheimes Zentralbureau für Wasser- und Straßenbau\” eingerichtet mit dem in Frankreich ausgebildeten Ingenieur v. Wiebeking [Hartung S. 22]. Die teure Maut (Wegzoll und Zugviehsteuer) wurde unter Montgelas umgestaltet. Auch die Scharwerke zum Straßenunterhalt (die “unentgeltliche Naturalkonkurrenz”) der Staatsstraßen wurden am 01.06.1807 aufgehoben [Hartung S. 22]. Die Scharwerke blieben aber für den Unterhalt der “Vizinalstraßen” und für den Umbau der Staatsstraßen zu Chauseen, wie es im Erlaß vom 08.02.1809 bekräftigt wurde . Dabei wurde auch erlassen, daß die häufig genutzten Straßen nahe München möglichst verpachtet werden sollten [Hartung S. 23 f.]. (Da haben wir ein frühes Beispiel der Public-Private-Partnerschaft, der die heutige CSU immer noch anhängt.) Mit Erlaß vom 06.04.18 wurden alle Staats-Frohndienste ersetzt durch steuerfinanzierte, bezahlte Dienstleistungen. Ab da waren die Landkreise für den Staatsstraßenbau zuständig. [Hartung S. 24].

Der klamme Staat begann ab 1828 etliche Staatsstraßen zu Vizinalstraßen herabzustuften, um die Unterhaltskosten auf die Landkreise abzuschieben. In Summe wurden die meisten Straßen so immer schlechter und die Scharwerksdienste der Bauern für die Vizinalstraßen nahmen immer mehr zu.

Die folgenden Jahre waren geprägt von einem ständigen Ringen um die hohen Kosten der Staatsstraßen: Was zahlt der Staat, was zahlen die Landkreise und was müssen die Bauern beisteuern? Darüber wurden die Straßen immer schlechter. 1837 waren erst 20 % der Staatsstraßen als Chausseen umgebaut und deren Deckschicht war nur eine 5 cm dicke Schicht weicher Kalksteine – anstelle der geforderten 9 cm sehr harter Steine [Hartung S. 50].

1840 wurden die letzten Mautstationen an Staatsstraßen aufgehoben. Ab 1848 investierte die Staatsregierung deutlich mehr Geld in den Straßenunterhalt

Maßnahmen, um die schlechten Straßen zu schonen

1837 wurde breite Radreifen zur Schonung der Straßen gesetztlich vorgeschrieben [Hartung S. 53, Gesetzblatt 26].

1844 wurde beschlossen, daß die Straßenwärter die ausgefahrenen Teile der Straße mit Balken und großen Steinen sperren sollten (“Geleiseverlegung”), damit die Fuhrwerke gezwungen waren, die Straße gleichmäßig abzufahren. Das erwiese sich als zu personalaufwändig [Hartung, S. 56].
(Das erinnert an den Spruch aus Irland: “We used to drive on the left side of the road, now we drive on what’s left of the road.”)

Am 25.07.1850 wurde ein Gesetz beschlossen, daß genaue Vorschriften für die zugelassenen Fuhrwerke, die Breite der Ladung und die Zahl der Zugtiere erließ [Hartung S. 57].
Gleichzeitig wurde der Einsatz von Pferdewalzen beschlossen. Die waren aber wenig wirksam und bald wieder aufgegeben.

Maßnahmen, um den Straßenbau zu verbessern

Erst 1827 führte man Wurfgitter zum Trennen von Erde und Steinen ein. Erst ab da konnte einigermaßen effizient ein geschichteter Straßenaufbau verwirklicht werden [Hartung S. 36].

Da es in ganz Bayern keine einzige korrekt gebaute Chaussee gab, ließ die Regierung ab 1840 Musterstraßen bauen, damit die Straßenbauarbeiter wenigstens einmal eine richtige Chaussee sehen konnten und beim Bau dieser Lehr-Baustellen mitwirken konnten [Hartung S. 53].

Die Eisenbahn als Konkurrent der Staatsstraßen

1835 fuhr die erste Eisenbahn in Bayern von Nürnberg nach Fürth. Schon 1844 wurden die Königlich Bayerischen Staatseisenbahnen gegründet. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verloren dadurch etliche Staatsstraßen ihre Bedeutung, wenn sie parallel zu einem Schienenstrang verliefen.

Gleichzeitig wurden Distriktstraßen zu Staatsstraßen aufgewertet wenn der Staat in diese Gegend keine Eisenbahn bauen wollte. Schließlich bezahlten alle Bayern die Eisenbahn mit ihren Steuern – wer keine Bahnstrecke erhielt, sollte wenigstens eine vom Staat unterhaltene Straße als Ersatz bekommen. [Hartung S. 58]

Ausbaustand 1871

Mit Eintritt Bayerns in das Deutsche Reich im Jahr 1871 sah es im Bezirkamt Bruck so aus:

  • 8,6 Quadratmeilen [473 km2] (und damit ein eher kleiner Landkreis). Heute: 434,79 km2
  • 18.901 Einwohner (heute: 219.320 Einwohner)
  • Bevölkerungsdichte: 2.198 Einwohner/Quadratmeile [40 Einwohner/km2] und damit durchschnittlich. Heute: 504 Einwohner/km2
  • Steueraufkommen: Insgesamt 64.978 Gulden. 3,43 Gulden/Einwohner – nach Tölz das höchste in Oberbayern!
  • Staatsstraßen: 10 Wegstunden [37 km], 1,16 Wegstunden/Quadratmeile [78 km/km2] und damit nach Erding und Mießbach die wenigsten Staatsstraßen in Oberbayern.
    Der Unterhalt kostete auch nur 4.992 Gulden/Jahr, das sind 499,3 Gulden/Wegstunde und Jahr [135 Gulden/km]
  • Distriktstraßen: 18 1/8 Wegstunden [66 km] und somit im Mittelfeld Oberbayerns – wobei die Distriktstraßenkilometer enorm schwanken.
    Der Unterhalt kostete lediglich 1.987 Gulden/Jahr, was 109,6 Gulden/Wegstunde [= 29 Gulden/km] bedeutet. Das ist sensationell wenig. Kein Landkreis gab derart wenig für seine Distriktstraßen aus; durchschnittlich wurde 4 mal so viel ausgegeben. Das sind nur 3 % des Steueraufkommens. Das läßt Schlimmes befürchten für die damalige Straßenqualität.
    Durchschnittlich wurden in Oberbayern 35 % des Pro-Kopf-Steueraufkommens für Distriktstraßen verwendet – in Bruck nur 6 %.

1 Kommentar zu „Chausseen – die ersten haltbaren Fernstraßen“

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