[Dieser Text enthält Beiträge von Dorlis und Roman und von Benno Gantner.]
In dem Beitrag „Wie unsere Dörfer entstanden“ haben wir die Methode von
Benno C. Gantner: Beiträge zur Siedlungsgeschichte zwischen Starnberger See und Isar-Loisachtal in Verbindung mit der Flurkartenforschung. Oberbayerisches Archiv, Band 122, München, 1998
vorgestellt. Nun wäre es an der Zeit, diese Methode auch an einem Ort im Landkreis Fürstenfeldbruck anzuwenden. Der kleine Ort Brandenberg ist scheinbar hierfür geeignet:
Brandenberg liegt allein in einer Rodungsinsel. Seine Feldausmaße entsprechen noch weitgehend dem Zustand während der Uraufnahme (1808 bis 1864). Während der Uraufnahme gab es 7 Höfe (und ein Hirtenhaus). Heute gibt es 10 Gebäude – der Ort ist also kaum gewachsen. Das macht ihn zu einem geeigneten, überschaubaren Versuchsobjekt.
Grenzen der (ursprünglichen) Gantner-Methode
Im Gespräch mit Herrn Gantner zeigte sich: Diese Methode gilt für die früh gegründeten Dörfer. Diese Dörfer haben einen Allmendering um ihre Feldflächen (und womöglich hatten sie ursprünglich auch noch Allmenden statt Feldern).
Brandenberg hat einen sehr schmalen Wiesenring entlang der Ortsgrenzen und alle diese Wiesen haben die gleichen Eigentümer wie die angrenzenden Felder. Brandenberg zeigt in der Uraufnahme also nicht die typischen Flurstücke, die in sehr schmalen Streifen unter allen Dorfbewohnern aufgeteilt wurden, als die Allmenden aufgelöst wurden. Solche fehlenden Allmenden sind ein Hinweis auf eine spätere Entstehungszeit.
Ein weiterer Hinweis auf eine spätere Entstehungszeit ist der Ortsname, der (vermutlich) nicht patronymisch ist (es taucht also kein Personenname darin auf – außer der Vorname “Branda” steckt doch in Brandenberg) und keine Baumart enthält. Das ist natürlich kein Beweis, sondern nur ein statistischer Hinweis.
Zudem ist die erste urkundliche Erwähnung erst von 1120. Das ist gerade im Bistum Augsburg leider auch kein Beweis, da die frühen Urkunden Augsburgs komplett verloren sind.
Die diversen Hinweise auf die Entstehungszeit Brandenbergs lassen vermuten, daß der Ort ein frühes Beispiel der Binnenkolonisation des Hochmittelalters ist. In diesen Jahrhunderten verdreifachte sich die Bevölkerung und daher wurden gezielt neue Siedlungen in Wäldern, Mooren etc. geschaffen. Viele gingen wieder zu Grunde – meist, weil es ihnen an Wasser mangelte. Brandenberg liegt teilweise auf feuchten Wiesen und hat keinen Bach. Trotzdem schaffte es der Ort, sich zu behaupten.
Da sich Orte vor 700 und nach 1000 unterschiedlich entwickelten, kann man bei später gegründeten Orten nicht die selben Annahmen treffen, wie sich die Flurkarten über die Zeit veränderten. Trotzdem kann man mit einem Teil der ursprünglichen Gantner-Methode durchaus interessante Erkenntnisse gewinnen. (Noch fehlen direkt nutzbare Erkenntnisse zur Ortsentwicklung von hochmittelalterlichen Ortsgründungen und ihre Auswirkungen auf die Flurkarten. Daher soll dieser Beitrag als Zwischenbericht gesehen werden. Irgendwann wird man sich den Flurkarten Brandenbergs sicher erneut zuwenden.)
Felder einfärben
Schon in der Draufsicht erkennt man, daß der Ort aus zwei fast kreisrunden Rodungsinseln besteht (in der Darstellung oben gelb und rosa markiert). Dieser Eindruck festigt sich, wenn man die Felder der 7 Höfe farbig markiert – wie es Benno Gantner empfiehlt. Offensichtlich gibt es zwei Häusergruppen in Brandenberg (2 im Süden, der Rest im Norden). Dies wurde bei der Farbwahl berücksichtigt (rot-lila für den Süden, grün-gelb für den Norden).
Runde Strukturen identifizieren
Wir können ohne Mühe zwei Kreisstrukturen ausmachen:
- Im Süden nur die Felder der beiden Halbhöfe #6 und #7.
Die Höfe #6 und #7 sind einigermaßen in der Mitte des südlichen Feldkreises. - Im Norden die Felder der übrigen Höfe.
Diese Höfe liegen am Südrand des nördlichen Feldkreises.
Der Durchmesser von Süd-Brandenberg ist 930 Meter. Am rechten Rand mußte ein Eck im Kreis wegen des Hangs fehlen, das hat man dann wohl westlich am Schmidter Feld angefügt. Südbrandenberg hatte somit ursprünglich fast 70 ha. Das war eher groß, aber die Böden scheinen dort teilweise feucht zu sein, so daß man mehr Acker braucht auf den ertragschwächeren Böden.
Der Durchmesser von Nord-Brandenberg ist etwa 900 Meter. Auch Nord-Brandenberg hatte also ursprünglich knapp 70 ha, was einem ganzen Hof entsprach. Leider ist er nicht so perfekt kreisförmig, wie der Süd-Hof. Tatsächlich kann die ursprüngliche Ausdehnung des Nord-Hofes nicht wirklich rekonstruiert werden. Warum das Nordwesteck nicht gerodet wurde, um den Kreis komplett zu machen und stattdessen im Westen ein Keil außerhalb des Kreises gerodet wurde, ist unklar. Heute sind dort Felder – der Boden ist also nicht ganz unbrauchbar dort.
Falls Brandenburg vor 700 gegründet worden wäre ….
Würde man ein merowingisches Dorf vermuten, dann hätten wir den typischen Fall eines Aussiedlerhofes/-dorfes vorliegen:
- Süd-Brandenberg wäre die Ursiedlung (6. – 7. Jahrhundert)
- Nord-Brandenberg wäre ein Aussiedlerhof (7. – 8. Jahrhundert), dem ein Ausbruch von Süd-Brandenberg für den Start mitgegeben wurde (später wurde der “Lauchgarten” wieder aus Nord-Brandenberg herausgeschnitten und gehörte dann (wieder) den Süd-Brandenbergern:
Da Brandenberg aber eher nach 1000 gegründet wurde ….
Ab der Karolingerzeit haben offenbar keine Aussiedler mehr knapp außerhalb der Dorfgrenzen ein Haus gebaut und daran anschließend Felder urbar gemacht. Die dann zuständigen Grundherren gründeten “von oben herab” und pflanzten die Höfe genau in die Mitte der Felder. Somit ist anzunehmen, daß das Ortszentrum von Nord-Brandenberg ursprünglich weiter nördlich beim roten Kreuz lag:
Bei dem roten Kreuz wird die “Burg” vermutet, wo demnach der Briefkasten von Gottschalk de Prantenberch hing, dem ersten urkundlich erwähnten Bewohner Brandenbergs. (Solche “Burgen” muß man sich eher als schlichten quadratischen Turm vorstellen.) In seiner Nähe wären die ersten Höfe gewesen.
Irgendein Ereignis könnte die ersten Nord-Brandenberger veranlaßt haben, 180 – 300 Meter weiter südlich zu ziehen. Laut B. Gantner gibt es dokumentierte Fälle, in denen die Bauern die Stellen mieden, an denen ihre Höfe abgebrannt sind. Die verkohlten Reste ließ man Jahrzehnte vermodern und baute weitab neu auf. Vielleicht ist hier etwas ähnliches passiert? Dorlis und Roman Bischof haben in Brandenberg die mündlich erzählte Geschichte mitgenommen, daß Brandenberg ursprünglich woanders stand. Das könnte zu dieser Vermutung passen.
Der weiter oben dargestellte “Ausbruch” aus dem Feldkreis Süd-Brandenbergs läßt vermuten, daß zumindest die Nord-Höfe #2, #3 und #5 erst dann ihre heutige Postition erhielten, als die Felder Süd-Brandenbergs bereits abgesteckt waren. Denn sie liegen teilweise im Süd-Brandenberger Feldkreis.
Welcher der beiden Teile Brandenbergs nun älter ist, kann man mit den Flurkarten nicht feststellen. Evtl. wurden die beiden Teile sogar gleichzeitig angelegt.
Wiesen
Gewöhnlich hatten Dörfer im Außenbereich einen Ring von gemeinschaftlich genutzten Wiesen. Nicht so Brandenberg. Wenn wir die Wiesen zur Zeit der Uraufnahme ausblenden…
dann sieht Brandenberg etwas zerfleddert aus. Es fällt auf, daß öfter kleine Feldstücke mitten in Wiesen liegen. Das kann darauf hindeuten, daß das Feld vernäßte und dann nur Teile nutzbar blieben (was sich aber nicht mit dem Höhenprofil deckt). Spannend ist, daß es gar keine gemeinschaftlich genutzten Weiden gab – jede Wiese gehörte explizit einem Hof. Trotzdem bilden auch hier die Wiesen im Prinzip einen Ring um den Süd-Hof (das Nord-Ost-Viertel des Süd-Hofes müßte aber ursprünglich mal aus Feldern bestanden haben).
Brandenberg ist umschlossen von königlichem (Laub-)Wald. Drei der 4 möglichen Viehtriebe könnten auch in diesen Wald geführt haben, falls Brandenberg dort Weiderechte hat.
Wiesenkeil #1 bestand auch aus zwei Heckenreihen und konnte somit durchaus als Viehtrieb dienen. Die Heckenreihen hätten das Vieh dabei sogar von den Wiesen am Südrand Brandenbergs ferngehalten und auch direkt in den Wald geführt. Das kann bedeuten, daß diese Wiesen früher Äcker waren.
Wiesenkeil #2 bestand nur aus einer Heckenreihe und war für den Viehtrieb daher nicht geeignet (die Kühe hätten in die Felder trampeln können). Die Hecke diente wohl dazu bei der Dreifelder-Wirtschaft die Brachfläche von den Sommer- und Wintergetreideflächen abzugrenzen, da auf den Brachflächen durchaus Vieh weiden durfte.
Der heckenbegrenzte Wiesenkeil #3 zwischen Nord- und Südhof mündet sogar ausschließlich im Wald – er führt auf gar keine Wiese zwischen Feld und Wald. Und genau am Ende dieses Wiesenkeils #3 war das Haus (#8) des Hirten (dessen Hausnummer in der Uraufnahme nicht einmal erwähnt wurde):
Eigenartigerweise wird der Wiesenkeil #3 in der Uraufnahme nicht als Weg oder Pfad markiert. Auf dem Positionsblatt von 1860 ist er jedoch bereits als Straße eingetragen (die in späteren Karten teilweise als „Rennweg“ bezeichnet wird) und sich östlich von Brandenberg fortsetzt mitten durch den Roßkasten und weiter nach Reichertsried. Reste davon konnten wir auf der Exkursion vom 15.09.19 untersuchen.
Wiesenkeil #4 war mit zwei Heckenreihen ausgestattet und führte auf die Wiesen “Im Moos”. Das kann darauf hindeuten, daß diese Wiesen im Osten des Nord-Hofes schon immer Weideflächen waren und nicht später vernäßte Felder des Urhofes.
#4 schlängelt sich unpraktisch um die Ecke. Womöglich wurde der Knick nach Süden erst angelegt, als der Nord-Ort nach Süden umzog. Dann hätte #4 ursprünglich geradelinig auf einen oder zwei zwischenzeitlich verlegt Höfe geführt (ungefähr dort, wo heute Hausnummer 1a ist).
Der Feldrain #5 und Weg #7 sind nicht beidseitig durch Hecken begrenzt. Sie führen zum vermuteten alten Ortszentrum Nord-Brandenbergs, das womöglich später aufgegeben und weiter südlich neu aufgebaut wurde. Ursprünglich waren diese beiden innerörtlichen Wege also womöglich die Viehtriebe nach Westen und Osten. Diese Aufgabe mußten dann später die südlicheren Wiesenkeile #3 und #4 übernehmen. Da einige Feldgrenzen über den Weg #7 hinweggehen, kam dieser Weg vermutlich erst nachträglich dazu.
Korrespondenzlagen und Hofteilungen
Der Süd-Hof
Ganz offensichtlich waren die beiden Halbhöfe #6 und #7 früher einmal zusammen der Süd-Hof. Man kann Gruppen von Feldern ausmachen:
(#2 und #3) (#4, #5, #6) und (#1 , #7). Das könnte auf eine Drei-Felder-Bewirtschaftung hinweisen (was auf die nachkarolingische Zeit typisch wäre). Feldgruppe #7 scheint aus Feldgruppe #1 herausgeschnitten zu sein.
Irgendwann scheinen die Feldgruppen jeweils halbiert worden zu sein (warum auch immer). Später hat man die Felder dann noch mal in Streifen aufgeteilt (meist in 4 Streifen). Vielleicht wurde die erste Halbierung zusammen mit der Hofteilung gemacht. Evtl. entpuppten sich die Hälften dann als unterschiedlich ertragstark und so hat man die Hälften anschließend noch einmal in abwechselnde Streifen zerteilt, um eine möglichst gerechte Teilung zu erreichen.
Der Ost-West-Weg, der den Südhof teilt, müßte zum Zeitpunkt der Hofteilung bereits bestanden haben, da sich die Feldgrenzen darauf beziehen. Vermutlich bestand der Weg schon zur Zeit der Urhofgründung, da er auch die großen Feldgruppen auf der Westseite trennt. Gleiches gilt für den Nord-Süd-Weg.
Aber welcher Hof war der Urhof? Für eine Paarhofsiedlung (also von vornherein zwei Höfe) war die Fläche zu klein.
(Hof #5 “Schmid” liegt auch noch im Areal des Süd-Hofes. Der hat aber nur eine Mini-Fläche und man hat ihn wohl als 1/16-Hof geführt, weil das die kleinste ankreuzbare Hofgröße war.)
Hof #7 scheint die Flächen im Zentrum des Süd-Hofes zu besetzen, während Hof #6 ein Stück nördlich der Mitte sitzt. Allerdings deuten Strukturen im Relief an, daß Hof #7 ursprünglich womöglich östlich des heutigen Hauses Nr. 8 (südöstlich von Hof #6) stand. Diese Fläche liegt auch etwas unmotiviert quer in Feldergruppe 4. Dann wäre Hof #7 selbst auch etwas außerhalb der Mitte gestanden.
Ohne weitere Urkunden geht der Kampf um den Titel des Urhofes wohl unentschieden aus mit leichten Vorteilen für Hof #7.
Der Nord-Hof
Auch beim Nord-Hof kann man drei Feldergruppen ausmachen, was für die Drei-Felder-Bewirtschaftung spricht. (Viele Feldgrenzen von Feldgruppe 2 scheinen von dem Weg mittendurch unberührt, andere Feldgrenzen nehmen darauf Bezug. Evtl. wurde der Weg somit während der Feldteilungen angelegt.)
Wenn man annimmt, daß Nord-Brandenberg komplett umzog, wurden womöglich auch die relativen Lagen der Häuser durcheinandergewürfelt. Wir wissen also nicht, wo die Höfe ursprünglich standen. Hof #1 lag Anfang des 19. Jahrhunderts am nächsten zur damaligen Burg. War dieser Hof anfangs der südlichste Hof Nord-Brandenbergs und mußte nie umziehen? Solche Fragen lassen sich heute nicht beantworten.
Hof #2 liegt gleich außerhalb des Südhofes und besitzt Flächen im Norden des Felderkreises des Südhofes. (Wäre Brandenberg eine frühmittelalterliche Gründung wurde man Hof #2 somit als Aussiedlerhof und Urhof Nord-Brandenbergs identifizieren. Aber Brandenberg wurde vermutlich zu spät für dieses Entwicklungsmodell gegründet.)
Einer der Höfe #1 und #2 war wohl der älteste Nord-Brandenbergs. Hof #2 hat anschließend offenbar noch die sehr kleinen 1/8-Höfe #3 und #4 hervorgebracht und wurde somit zu einem 1/4-Hof.
Von Hof #3 („Antinus“) und Hof #4 („Gratz“) ist bei Kiening erst ab 1760 die Rede. Die Bewohner müßten zusätzlich ein Handwerk ausgeübt haben, weil ein 1/8-Hof nicht gereicht haben dürfte für ein Auskommen. Leider ist darüber bei www.genealogie-kiening.de nichts bekannt.
Wege
Brandenberg konnte nicht existieren ohne Anschluß an Straßen. Im Frühmittelalter lagen kleine Weiler, wie Brandenberg, meist bewußt etwas abseits der Fernstraßen. Wie das bei hochmittelalterlichen Ortsgründungen aussah muß man noch klären.
Ost-West-Verbindungen
Ost-West-Verbindungen hätten das junge Brandenberg Richtung Hohenzell-Geltendorf bzw. Reichertsried-Schöngeising orientiert.
Der vermutete ost-west verlaufende “Rennweg” wäre in 250 Metern Abstand von den ursprünglichen Zentren der beiden Brandenbergs vorbeigelaufen.
Falls dieser Rennweg (E) tatsächlich so verlief, dann fällt auf, daß die Feldgrenzen ihn zu einem Knick um die “Lauchgärten” über die Ortsverbindung nach Moorenweis (D) zwingen. Das kann heißen, daß der Rennweg (E)
- ursprünglich schnurgerade zwischen den Brandenbergs verlief. Dann kann es sein, daß er
- vor der Gründung der Brandenbergs außer Betrieb ging. Dann mußte man bei der Feldaufteilung innerorts keine Rücksicht auf ihn nehmen. Reste des Weges bestanden womöglich noch außerorts und man orientierte sich an ihnen.
- nach der Gründung der Brandenbergs noch genutzt wurde. Erst nach dem Verfall des Rennwegs legte man die Lauchgärten mitten auf seiner Route an. Irgendwelche Grundstücksaktionen müßten da also zwischenzeitlich stattgefunden haben. Zwischen den Feldrainen auf der östlichen Seite ist auch kein Pfad mehr eingezeichnet. Hinweise auf den Rennweg findet man nur noch westlich und östlich von Brandenberg – aber überhaupt nicht im Ort und seinen Feldern.
- erst nach Strecke D gebaut wurde (So mußte er sich entlang bestehender Feldraine einfügen und stieß dann jeweils irgendwo stumpf auf die Dorfstraße D.
Einigermaßen gesichert ist, daß ein Altweg von Brandenberg nach Schöngeising führte (“Brandenberger Mühlweg”). Der Abschnitt Brandenberg-Reichertsried ist ungeklärt. Dies kann der “Rennweg” gewesen sein (wobei auf Rennwegen, die angeblich Schnell-Reitwege ware, vermutlich keine Ochsengespanne mit Getreidesäcken zugelassen waren, die tiefe Furchen hinterließen). Es kann aber auch der Weg F südlich am “Roßkasten” vorbei gewesen sein. Der Weg F existierte definitiv zur Zeit der Gründung Brandenbergs. Die Höfe #6 und #7 in Süd-Brandenberg liegen enigermaßen an diesem Weg.
B. Gantner beobachtete am Starnberger See öfter Parallelrouten, die bei Orten wieder zusammenführten. Womöglich haben wir hier mit E und F auch so eine Parallelroute vor uns.
Großräumiger betrachtet boten die Ost-West-Verbindungen Abkürzungen zu den vermuteten Fernstraßen B (vom Ammersee) und A (nach Augsburg oder zum Brenner). Wer vom Ammersee nach Salzburg wollte ersparte sich den Umweg über Moorenweis. Heute würde man diese Strecke womöglich “Brandenberger Spange” nennen.
Nord-Süd-Verbindung
Der Nachbarort Moorenweis ist bei weitem der größte im Umkreis und es gab wohl eine bedeutsame Straße Utting-Türkenfeld-Moorenweis (B) – über die man übrigens auch nach Wessobrunn gelangen konnte. Wessobrunn war zumindest später der Grundherr Brandenbergs.
Richtung Norden nach Moorenweis (D) war ein Weg für Brandenberg sicher bedeutsam. Doch nach Süden führt nur ein Pfad (G) über das “Schneider-Bergl” zu eher unbedeutenden Dörfen, was nicht für eine Fernstraße spricht. Die Verbindung nach Moorenweis existierte sicherlich bereits während der Gründung Brandenbergs. Aber es spricht wenig dafür, daß Brandenberg an einer bedeutenden Nord-Süd-Verbindung lag. Bestenfalls war der Weg über Brandenberg eine Ausweichroute für die Moorenweis-Ammersee-Strecke.
[Wobei zu beachten ist, daß der Transport zu Fuß damals – im Vergleich zu Gespannen oder Karren – erstaunlich schnell war. Niedrige Personalkosten vorausgesetzt, war der Transport zu Fuß auch noch günstig. Die “unbedeutenden Fußpfade” hatten also womöglich durchaus eine enorme Bedeutung.]
Generell gilt für alle Nord-Süd-Verbindungen in Südbayern, daß wohl viel über die Flüsse Lech, Ammer, Würm, Isar und Inn nach Norden geflößt wurde (auch wenn diese Flüsse eher nach Nordost, als direkt nach Norden orientiert waren – ein Raster, das auch die überregionalen Straßen aufgreifen). Die Nord-Süd-Straßen sind also eher Straßen für die Räume zwischen den Flüssen, für den Nahtransport und für Transporte Richtung Süden.
Hausnamen
Die meisten Brandenberger Hausnamen gehen auf Vornamen zurück. (“Gratz” womöglich auf einen geizigen Besitzer.) Zwei der sieben Höfe (“Wagner” und “Schmid”) deuten auf dort angesiedelte Handwerker hin. Es wäre spannend zu erfahren, was der Grundherr im Mittelalter bezweckte, als er einen der Höfe aufteilte, um Handwerker unterzubringen. Das läßt sich aber definitv nicht aus den Flurkarten herauslesen. Hierzu muß man auf die alten Urkunden hoffen.
Bodendenkmäler
Die Gegend ist übersät mit Hügelgräbern und gelegentlichen Viereckschanzen. Ganz offensichtlich siedelten rund um Brandenberg früher Kelten. Ist Brandenberg also eine ursprünglich keltische Siedlung? Wer hat den Wald rund um Brandenberg eigentlich gerodet? Auf Brandenberger Flur liegen 3 Hügelgräber. Das spricht für ein keltisches Dorf in oder nahe bei Brandenberg.
Unter der Annahme, daß die Hügelgräber immer in der Nähe von Siedlungen waren und diese Siedlungen durch Straßen verbunden waren, kann man lineare Strukturen in der Verteilung der Hügelgräber suchen und daraus ableiten, wo womöglich keltische Straßen oder Wege verliefen. Tatsächlich liegen an der vermuteten mittelalterlichen Straße (B) von Moorenweis-Türkenfeld-Utting durchaus einige Hügelgräber. Hier könnte also bereits eine keltische Straße verlaufen sein.
Wir sehen bei Pleitmannswang (Peutenmühle) einen Streifen mit vier Hügelgräbern in einer Reihe. Dieser Streifen läuft auf Brandenberg zu und könnte in den Südausgang von Brandenberg (G) münden. Wenn dem so war, dann wäre dieser Südausgang evtl. doch Teil einer Parallelroute zu Straße B.
Die Ost-West-Verbindung durch den Brandenberger Süd-Hof zeigt in ihrer südwestlichen Verlängerung einen Streifen mit acht bis neun Hügelgräbern. In der Verlängerung wurde diese Strecke nach Penzing-Landsberg führen. Allerdings würde diese Strecke durch Brandenberg in einem anderen Winkel verlaufen (in Brandenberg verläuft der Ortsweg exakt Ost-West).
Gleich nördlich von Brandenberg könnte man einen Parallelstreifen mit 5 – 7 Hügelgräbern erahnen.
Solche lineare Strukturen sind natürlich spekulativ. Sobald weitere Hügelgräber gefunden werden, wird sich womöglich ein anderes Bild ergeben. Zudem sind viele Hügelgräber unerkannt für immer verloren. Was ein wenig zu den linearen Strukturen passen würde, ist daß bemerkenswert viele alte Straßen im Landkreis Fürstenfeldbruck in einem Raster von ungefähr 45° und 135° liegen. (Das wäre durchaus eine weitergehende Untersuchung wert.)
Ortsname
Branden- von “Branda”?
Wolf-Armin Frhr. v. Reitzenstein: Lexikon bayerischer Ortsnamen; C. H. Beck-Verlag, 2006
leitet den Ortsnamen 83098 Brannenburgs (bei Rosenheim) von einem weiblichen Vornamen “Branda” her. Brannenburg taucht in der Tegernseer Tradition Nr. 152 von 1113-1121 als “Prantunperch” auf. Im Codex Falkensteinensis Nr. 135 von 1168/69 als “Prantenberch“. Die Parallelität zu den Ersterwähnungen Brandenbergs ist deutlich. Daher kann die gleiche Ortsnamenherkunft für beide Orte angenommen werden.
Dann hätten wir doch einen patronymischen Ortsnamen – und müßten (trotz der fehlenden Allmende) eine frühmittelalterliche, baiovarische Ortsgründung in Betracht ziehen.
Branden- von “Brand”?
“Branden-” kann von Brand kommen, was oft mit der ursprünglichen Brandrodung verbunden wird. Flurnamen mit “Brand” kommen meist von Brandereignissen. Der “Berg” Brandenbergs liegt in der Mitte Nord-Brandenbergs. Das kann heißen, daß der Urhof “beim abgebrannten Berg” lag. Oder daß für Nord-Brandenberg der Wald brandgerodet wurde und man beide Ortsteile nach diesem Ereignis umbenannte zu “Brandenberg”.
-berg von “Burg”?
Es gab ganz im Norden Nord-Brandenbergs eine kleine Burg in diesem Minidorf. Da der Ort selbst sicher unbedeutend war, bleibt eigentlich nur seine Lage als Begründung für eine Burg (die vermutlich nur eine Motte mit Holzturm war). Entweder Brandenberg lag damals in einer Grenzregion oder eine interessante Straße zog durch den Ort.
Dorlis und Roman Bischof: Der Brandenberger Burgstall in: Schlösser, Burgen und Burgställe im Landkreis Fürstenfeldbruck; Brucker Blätter 2015, Historischer Verein Fürstenfeldbruck
erwähnt:
- 1120 wird in einer Schenkungsurkunde des Klosters Tegernsee ein “Gottschalk de Prantenberch” genannt.
- 1145 taucht ein “Eberhard de Prantenperc” in einer Traditionsurkunde von Kloster Weihenstephan auf.
- 1147 schenkt ein “Herimannus de Prandenberch” seinen Besitz an das Kloster Wessobrunn.
Wann diese Burg gebaut wurde, wissen wir nicht. Es ist möglich, daß Brandenberg schon vor dieser Burg seinen Namen erhielt. Die Herleitung des Ortsnamens von dieser Burg ist daher nicht gesichert.
Wolf-Armin Frhr. v. Reitzenstein: Lexikon bayerischer Ortsnamen; C. H. Beck-Verlag, 2006
leitet den Ortsnamen von 83098 Brannenburg (bei Rosenheim) von einer Burg her. Ähnlich argumentiert auch
Clemens Böhne: Die Riedschaft Brandenberg – Die 800jährige Geschichte einer Rodungsinsel; Amperland, Ausgabe 10, 1974, S. 542 ff.
Burgen lagen meist auf Anhöhen, so daß “Burg” und “Berg” durchaus verwandt sein können. Laut Kluge (Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache) ist die Herleitung von Burg aber strittig. Am Ende könnte der Ort ursprünglich “Brandas Anhöhe” oder “Brandas Burg” bedeutet haben.
-berg von “Berg”?
Rund um Brandenberg gibt weitere Hügel, die in der Karte als “Berg” bezeichnet werden.
Höhe [m] | Erhebung über Umgebung [m] | |
Höchberg (Hoechberger Anger) | 583,50 | 7,50 |
Brandenberg | 593,00 | 9,00 |
Schneiderberg | 624,00 | 48,00 |
Zigeunerberg | 614,00 | 24,00 |
Rauchenberg | 595,00 | 20,00 |
Wie man sieht, werden auch vergleichsweise kleine Erhebungen zu “Bergen” erklärt. Denkbar ist, daß der Brandenberg schon vor dem Ort seinen Namen erhielt. Die Rodungsinsel hat man dann nach dem Berg benannt.
Methodik, Technik und Ausblick
Die Flurstücke wurden in Photoshop als Polygone nachgezeichnet. Selbst für einen so kleinen Ort erwies sich das als recht zeitaufwändig. Wenn man sich schon die Mühe macht, die Felder der Uraufnahme zu erfassen, sollte man es wohl doch besser in einem GIS (z. B. QGIS) machen. Dann könnte man die Daten für spätere Untersuchungen besser wiederverwenden.
In Photoshop oder im GIS sollte man pro Hof zwei Ebenen vorsehen: Eine für die Ackerflächen und eine für die Wiesen, Wälder etc. Das erleichtert die Orientierung deutlich. (Herzlichen Dank an Robert Schrock für diesen Tipp in der Facebook-Gruppe \”BayernAtlas\”!).
Die Felderfasung ist selbst bei einem kleinen Ort, wie Brandenberg, mit 7 Höfen sehr zeitaufwändig. Moorenweis hatte 13 mal so viele Höfe! Da sollte man sich vermutlich mit mehreren Interessierten zusammenschließen und die Arbeit verteilen.
Die Uraufnahme wurde mit dem BayernAtlas im Maßstab 1:5000 gedruckt.
Allerdings erhält man so nur kleine Ausschnitte (die man für ein GIS vermutlich georeferenzieren würde). Das kleine Brandenberg mußte aus 4 solchen Uraufnahmeausschnitten zusammengesetzt werden. Hier wäre es hilfreich, die komplette Uraufnahme als Hintergrundbild in ein GIS zu laden (was angeblich geht).
Der BayernAtlas gestattet die Ansicht der Uraufnahme nur ab Zoom-Stufe 12. Bei geringerer Auflösung schaltet er automatisch in die Positionsblätteransicht. Das ist sehr bedauerlich, wenn man sich einen Überblick über ein größeres Gebiet verschaffen will (was bei der Flurkartenanalyse häufig der Fall ist).
Womöglich ist derzeit tatsächlich der effizientere Weg, die Uraufnahmekarten im Maßstab 1:5000 ausdrucken zu lassen und auf Papier zu kolorieren.
Ausblick
Brandenberg erwies sich letztlich nicht als passendes Beispiel für für das Ortsgenesemodell nach B. Gantner. Leider findet man bei kaum einem Ort im Landkreis Fürstenfeldbruck deutliche runde Strukturen. Trotzdem bieten sich aber noch weitere Orte an (wie Babenried), bei denen Kreisstrukturen vorzuliegen scheinen. Doch leider liegen diese Orte nicht alleine in ihren Rodungsinseln. So müßte man eigentlich die Nachbarorte (wie Landsberied) mituntersuchen. Und schon hat man es gleichzeitig mit eher großen Orten mit vielen Höfen zu tun. Da wird die Felderfassung/-kolorierung zu einer Vollzeitbeschäftigung.
Spannend sind auch die Abweichungen von dem Rundhöfemodell nach B. Gantner. Argelsried (was bereits im Landkreis Starnberg liegt) könnte der römischen Flurverteilung entsprechen. Andere Orte zeigen auf dem ersten Blick gar keine Struktur – aber irgendwie sind auch diese Orte sicherlich gewachsen. Es gibt also noch viel zu tun.
Für die Suche nach Altwegen kann die genaue Betrachtung der Feldgrenzen und der Dorfgenese durchhaus Hinweise liefern.
Clemens Böhne: Die Riedschaft Brandenberg – Die 800jährige Geschichte einer Rodungsinsel; Amperland, Ausgabe 10, 1974, S. 542 ff.
hat sich ausgiebig mit den Erwähnungen Brandenbergs in Urkunden beschäftigt. Seine Erkenntnisse sollten noch einmal im Lichte der Ergebnisse der Flurkartenanalyse genauer betrachtet werden.
In https://www.dmgh.de/mgh_necr_1/index.htm#page/46/mode/1up findet man im Necrologium Wessobrunnense von 1492 auf Seite 46 den Eintrag vom 4.Mai:
IV non. Heriman l. obl, qui dedit predium ad Prantenberg.
Das könnte der „Herimannus de Prandenberch“ sein, der 1147 seinen Besitz dem Kloster Wessobrunn schenkte.
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